ʿAin Birbīya

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Tempel von ʿAin Birbīya
ʿAin Birbīya · ʿAin Birbīʿa
عين بربية · عين بربيعة
GouvernementNeues Tal
Einwohnerzahl
Höhe
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
ʿAin Birbīya

'Ain Birbiya (auch Ain Birbiyeh, Ain el-Birbiya, Ain el-Birba, arabisch: ‏عين بربية, ʿAin Birbīya, „Quelle am antiken Tempel“, عين البربية, ʿAin al-Birbīya) oder 'Ain Birbi'a (عين بربيعة, ʿAin Birbīʿa) ist der Name einer Quelle im Osten der ägyptischen Senke ed-Dāchla, die nach einer Tempelruine benannt ist. Die größte Tempelanlage dieser Senke ist dem Gott Amun-Nacht und seiner Gefährtin Hathor geweiht und nennt als eines der wenigen ägyptischen Heiligtümer den Namen des römischen Kaisers Galba. Für die archäologische Stätte dürften sich hauptsächlich Archäologen und Ägyptologen interessieren.

Hintergrund[Bearbeiten]

Manchmal wissen die Einheimischen mehr als die Archäologen. Im Namen der Quelle lebte die Kenntnis von der Existenz eines altägyptischen Tempels fort. In der Nähe der Quelle befindet sich die größte Tempelanlage der Senke ed-Dāchla. Das nur im ägyptischen Arabisch gebräuchliche Wort Birba (arabisch: ‏بربة) bzw. sein Adjektiv Birbīya bedeutet ausschließlich altägyptischer Tempel.

Der Tempel war dem Amun-Nacht und seiner Gefährtin Hathor geweiht und trug die altägyptische Bezeichnung ʾImeret, was wohl Wüstenhügel bedeutet. Weitere hier verehrte Gottheiten waren Osiris und Isis, der Schöpfergott Ptah und Sachmet („die Mächtige“), der Sonnengott Re-Harachte und seine Gefährtin Hathor-Nebet-hetepet, der Fruchtbarkeitsgott Amun von Hibis und Mut, der Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut sowie der Luftgott Schu und Nut.

Der hiesige Tempel ist der einzige, der dem Gott Amun-Nacht („Amun der Starke“ bzw. „Amun der Siegreiche“) geweiht ist. Er ist eine recht junge Gottheit, die erst seit dem Ptolemäerkönig Ptolemaios IX. belegt ist. Darstellungen von Amun-Nacht finden sich nur noch im Horus-Tempel von Edfu und in den Tempeln dieser Senke wie dem Tempel für Amun-Re in Deir el-Ḥagar und dem Tempel des Tutu in Ismant el-Charāb. Amun-Nacht, Herr der Wüste, ist eine Sonderform des Amun von Theben und ging aus der Verschmelzung des Gottes Amun mit Horus, der seinen Vater Osiris rächt, hervor. Er wird entweder widderköpfig oder falkenköpfig dargestellt, häufig mit einem Speer in der Hand. In letzterer Form tritt er sowohl mit als auch ohne Flügel auf. Die Darstellung dieses Gotts z. B. als Graffito an Felsen entlang von Karawanenrouten in diese Senke spricht für seine Popularität in griechisch-römischer Zeit.

Der Tempel wurde sicher bereits in griechischer Zeit errichtet. Dafür spricht zum einen der Grundriss bzw. die Raumaufteilung. Zum anderen die Tatsache, dass die frühesten Dekorationen am Eingangstor vom römischen Kaiser Augustus (Oktavian) stammen, der von 31 v. Chr. bis 14. n. Chr. herrschte. Das Sanktuar wurde etwa ein halbes Jahrhundert später dekoriert, und zwar unter Kaiser Servius Galba Caesar, der im Januar 69 ermordet wurde. Die Kaiser Titus und Domitian ließen den Gegentempel dekorieren. Die Gestaltung, wohl auch der Bau des Pronaos (der Tempelvorhalle) stammte vom Kaiser Hadrian. Die Bauzeit liegt somit im ersten vor- bzw. ersten nachchristlichen Jahrhundert.

Darstellung des kämpfenden Amun-Nacht an einem Felsen im Süden von Tineida

Und wieder eine Besonderheit. Es ist einer der wenigen Tempel, in dem der Kaiser Galba genannt wurde (anfänglich glaubte man, die Inschriften bezögen sich auf den Kaiser Commodus). Denn der Kaiser Galba ist in ägyptischen Tempel kaum belegt. Nur im Tempel von Deir esch-Schalwīṭ und in Hībis (im Edikt von Tiberius Julius Alexander) wird er noch genannt. Die Verwendung zweier verschiedener und zeitlich aufeinander folgender Namensvarianten von Kaiser Galba ermöglicht die Datierung der Sanktuardekoration in den Herbst des Jahres 68 n. Chr.

Der Tempel ist nur teilweise dekoriert: Reliefs befinden sich am Eingangstor in der Umfassungsmauer, im Pronaos, im Sanktuar (Allerheiligstes) und an der Rückwand des Gegentempels. Es gibt kaum Opferszenen, und die hauptsächlich im Gegentempel. Zu den besonderen Darstellungen gehört die der Götter Osiris und Seth nebeneinander.

Der Tempel wurde erstmals 1819 vom Italiener Bernardino Drovetti (1776–1852) genannt.[1] Er berichtete, dass er eine Stunde von Tineida entfernt auf der linken Straßenseite die Grundmauern (!) eines Tempels in A’yn el Berbyeh (arabisch: ‏عين البربية) vorgefunden hatte. Kaum ein Jahr später wurde der Tempel von A’yn el Birbeh auch vom Franzosen Frédéric Cailliaud (1787–1869) aufgesucht.[2] Der deutsche Orientalist Bernhard Moritz (1859–1939) berichtete 1900 von seiner Exkursion in die Libysche Wüste, dass er nach einem 20minütigen Marsch durch ein Feld voller Tonscherben von Tineida aus die Unterkonstruktion (!) eines großen Gebäudes (vermutlich eines Tempel) gesehen hatte.[3] Was offensichtlich niemand erkannt hatte, war, dass die ebenerdigen Steine nicht das Fundament, sondern die Deckenbalken waren, denn der Tempel war vollständig im Sand begraben.

1982 wurde der Tempel durch das Team des Dakhleh Oasis Project wieder gefunden. Nicht nur, dass er im Sand begraben war. Das Gelände wurde lange Zeit landwirtschaftlich genutzt und bewässert. Die Grabungen seit 1985 gestalteten sich schwierig. Der feuchte Untergrund hatte die antiken Sandsteinquader brüchig werden lassen.[4] Seit 1988 nahm der niederländische Ägyptologe Olaf E. Kaper an den Grabungen teil, die seit 2010 abgeschlossen sind. Eine Publikation des Tempels ist geplant.

Aufgrund der schlechten Erhaltung wurde der Tempel wieder zugeschüttet. Der Tempel wird wohl auch zukünftig nicht für Besucher zugänglich gemacht werden.

Anreise[Bearbeiten]

Der Tempel befindet sich ca. 2,5 Kilometer westlich von Tineida. Man erreicht ihn über die Fernverkehrsstraße nach Mūṭ. Er befindet sich ca. 500 Meter nördlich der Straße. Diese Entfernung muss man nun zu Fuß über sandigem Grund überbrücken.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten]

Das Gelände wird bewacht und kann ohne Genehmigung durch die oberste Antikenbehörde in Kairo oder den Antikendienst in Mūṭ nicht mehr betreten werden.

An dieser Stelle gibt es nur den Tempel des Amun-Nacht, der fast vollständig im Sand begraben ist. Das Gelände ist eingezäunt, aber der Tempel lässt sich gut erkennen.

Der Tempel wird von einer 42 Meter langen (Ost–West) und 21 Meter breiten Umfassungsmauer umgeben, die teilweise aus Sandsteinblöcken und Lehmziegeln errichtet wurde. Das 4 Meter hohe steinerne Eingangstor befindet sich im Osten der Mauer. Am Tor befindet sich die Darstellung des Kaisers Augustus vor Amun-Nacht und Hathor, wie er einen Zeremonialkragen an Amun-Nacht reicht. Auf der Torinnenseite wurde der falkenköpfige, geflügelte Amun-Nacht in Begleitung eines Löwen dargestellt, wie er die Neunbogenvölker, die Feinde des Pharao, niedersticht. Das besondere hieran ist, dass die Feindniederschlagung hier von einem Gott ausgeführt wird, was eigentlich die Aufgabe des Königs ist. Hölbl stellte fest, dass die Übernahme königlicher Aufgaben durch Götter bzw. der Priesterschaft an mehreren Tempeln in der Senke in den Darstellungen belegt ist und eine Entwicklung in der römischen Zeit darstellt. Zum anderen besitzt diese Darstellung eine Parallele im Tempel von Hībis. Dort wurde in persischer Zeit der falkenköpfige Gott Seth in Begleitung eines Löwen dargestellt, wie er die Chaos bringende Apophisschlange mit einem Speer tötet.

Auch der Tempel selbst wurde aus lokalem Sandstein errichtet. Der Tempel ist von Ost nach West ausgerichtet, ca. 28 Meter lang einschließlich des Pronaos und des Gegentempels, ca. 12,3 Meter breit und ca. 5 Meter hoch. Das eigentliche Tempelhaus ist 19 Meter lang. In seiner Größe übertrifft der Tempel damit den von Deir el-Ḥagar. Der Tempel besteht aus einem etwa 5 Meter tiefen Pronaos (der Tempelvorhalle) mit vier Säulen und Schrankenwänden an der Fassade und zwei weiteren Säulen an den Seitenwänden. Der Pronaos wurde vielleicht erst in der Zeit des Hadrian angelegt, der ihn dekorieren ließ. Die Dekoration durch Hadrian erfolgte damit etwa ein Jahrhundert später als die Tores.

Hinter dem Pronaos schließt sich eine erste Raumgruppe mit sieben Räumen an. Der mittlere Raum an der linken (südlichen) Seite diente als Treppenhaus. Im Weiteren folgt der quer liegende Opfersaal. Den Abschluss bildet das Sanktuar (das Allerheiligste) mit je einer Seitenkapelle zu beiden Seiten. In der linken Kapelle befindet sich ein weiterer Treppenaufgang zum Dach. Die Dekoration des Sanktuars wurde unter Kaiser Galba angelegt.

An der Rückwand des Tempels wurde ein etwa 4 Meter tiefer Gegentempel angebaut. Seine Fassade wurde ebenfalls durch Schrankenwände gebildet. Die Säulen wurden aus Ziegeln errichtet. An der Rückwand des Gegentempels wurde wiederum der Gott Amun-Nacht dargestellt.

Unterkunft[Bearbeiten]

Unterkünfte gibt es in Mut und in Qasr ed-Dachla.

Ausflüge[Bearbeiten]

Der Besuch des Tempels kann mit dem von Tineida, Balāṭ und Qilāʿ eḍ-Ḍabba verbunden werden.

Literatur[Bearbeiten]

  • Mills, A.J.: ‘Ein Birbiyeh. In: Hope, Colin A. ; Mills, A.J. (Hrsg.): Dakhleh Oasis Project : preliminary reports on the 1992–1993 and 1993–1994 field seasons. Oxford [u.a.]: Oxbow Books, 1999, Dakhleh Oasis Project ; 8, ISBN 978-1-900188-95-1, S. 23–24.
  • Hölbl, Günther: Altägypten im Römischen Reich ; 3: Heiligtümer und religiöses Leben in den ägyptischen Wüsten und Oasen. Mainz am Rhein: Zabern, 2005, Zaberns Bildbände zur Archäologie, ISBN 978-3-8053-3512-6, S. 75–81.
  • Kaper, Olaf E.: Galba’s Cartouches at Ain Birbiyeh. In: Lembke, Katja ; Minas-Nerpel, Martina ; Pfeiffer, Stefan (Hrsg.): Tradition and transformation : Egypt under Roman rule : proceedings of the international conference, Hildesheim, Roemer- and Pelizaeus-Museum, 3–6 July 2008. Leiden [u.a.]: Brill, 2010, Culture and history of the ancient Near East ; 41, ISBN 978-90-04-18335-3, S. 181–201.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Drovetti, [Bernardino]: Journal d’un voyage à la vallée de Dakel. In: Cailliaud, Frédéric ; Jomard, M. (Hrsg.): Voyage à l’Oasis de Thèbes et dans les déserts situés à l’Orient et à l’Occident de la Thébaïde fait pendant les années 1815, 1816, 1817 et 1818. Paris: Imprimerie royale, 1821, S. 99–105, insbesondere S. 101. « A une heure de distance de Teneydeh, et sur la gauche du chemin, on s’arrête pour voir les ruines d’un temple, dont il ne paroît plus que les murs de fondation. »
  2. Cailliaud, Frédéric: Voyage a Méroé, au fleuve blanc, au-delà de Fâzoql dans le midi du Royaume de Sennâr, a Syouah et dans cinq autres oasis …. Paris: Imprimerie Royale, 1826, S. 225, Textband 1.
  3. Moritz, B[ernhard]: Excursion aux oasis du désert libyque. In: Bulletin de la Société Sultanieh de Géographie (BSGE), Bd. 5 (1902), S. 429–475, insbesondere S. 451. « Après vingt minutes de marche, nous passâmes par un champ jonché de débris de poteries; les substructions d’un grand édifice (un temple probablement), furent visibles. »
  4. Anthony J. Mills beschrieb den Fortgang an den Grabungen zum Tempel in verschiedenen Vorberichten, die im Journal of the Society for the Study of Egyptian Antiquities (JSSEA) erschienen sind (u.a. Bd. 13 (1983), S. 121–141 (insbesondere S. 132–134, Tafel 9), Bd. 15 (1985), S. 105–113 (insbesondere S. 109–113, Tafeln 1–3), Bd. 16 (1986), S. 65–73 (insbesondere S. 70–73)).
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