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Nāḍūra

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Großer Tempel von Nāḍūra, el-Charga
En-Nāḍūra · الناضورة
GouvernementNeues Tal
Einwohnerzahl
Höhe
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Nāḍūra

En-Nadura (auch el-Nadura, arabisch: ‏الناضورة, an-Nāḍūra) ist ein Dorf nördlich der Stadt el-Chārga im Norden der ägyptischen Senke Chārga. Im Norden und Nordosten befinden sich zwei römische Tempelanlagen. Für diese Tempel dürften sich vorwiegend Archäologen und Ägyptologen interessieren.

Hintergrund

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Nördlich des Dorfes en-Nāḍūra und nördlich der Stadt el-Chārga sowie östlich des Tempels von Hībis befinden sich zwei Tempelanlagen aus römischer Zeit. Der größere und besser erhaltene Tempel befindet sich auf einer Anhöhe und ist bereits von Weitem sichtbar. Von dieser Anhöhe besitzt man eine gute Aussicht in das Umland. So erblickt man die Stadt el-Chārga im Süden, den Hībis-Tempel im Westen und den Gebel Ghanīma im Norden.

Der antike Name dieser Ortschaft ist unbekannt. Der heutige Name en-Nāḍūra leitete sich wohl, wie bereits der deutsche Afrikaforscher Georg Schweinfurth (1836–1925) feststellte,[1] vom arabischen Wort نظارة, naẓāra, für Beobachtungspunkt oder Fernrohr ab.

Für den großen Tempel von en-Nāḍūra, der unter den Kaisern Hadrian (Regierungszeit 117–138) und Antoninus Pius (Regierungszeit 138–161) errichtet wurde, wurde eine recht exponierte Lage gewählt, von der man weite Teile im Norden der Senke überblicken konnte. Er besaß sicher eine durchaus strategische Bedeutung. Möglicherweise handelte es sich hier um den Teil eines Militärlagers oder einer Festung.[2] Der Großteil der Dekorationen stammt von Antoninus Pius, die Dekoration des Portals von Hadrian.

Obwohl der Tempel auch von frühen Reisenden immer wieder besucht wurde – unter ihnen 1818 der Franzose Frédéric Cailliaud (1787–1869),[3] 1819 der britische Afrikareisende Archibald Edmonstone (1795–1871),[4] 1832 der Brite George Alexander Hoskins (1802–1863),[5] 1874/1875 die Deutschen Gerhard Rohlfs (1831–1896),[6] Georg Schweinfurth,[1] und der Ägyptologe Heinrich Brugsch (1827–1894)[7] – so fehlt eine vollständige Erforschung bis heute. Die umfangreichste Beschreibung stammte vom Bauforscher Rudolf Naumann (1910–1996), der el-Chārga 1936 besuchte.

1976 wurden vom Franzosen Jean-François Gout im Auftrage des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) fotografische Aufnahmen des Tempels angefertigt, der damals noch besser erhalten war als heute.[8] Seit 2009 erfolgte eine Untersuchung des Tempels durch das Yale Nadura Temple Project unter Leitung von David Klotz. Bei den Reinigungsarbeiten wurden im Schutt auch Reste der Deckenplatten mit Sternen und des Cheker-Frieses sowie Fragmente von Portalpfosten und einem Türsturz gefunden.

Aufgrund der erst seit 2009 durchgeführten Analyse der Texte des oberen Tempels konnte über die hier verehrte Hauptgottheit zuvor nur spekuliert werden. Von Brugsch bzw. Naumann stammte der Vorschlag, dies sei Amun-Re bzw. Amun von Hibis gewesen. Der französische Archäologe Serge Sauneron (1927–1976) und der deutsche Ägyptologe Dieter Kurth schlugen die Göttin Mut[9] bzw. Amun und Mut vor.[10] Klotz konnte nun darlegen, dass es sich bei dem verehrten Hauptgott um Chons, Herrn von Hibis, bzw. Chons-das-Kind handelt, der auch das Darstellungsprogramm dominiert. Der meist falkenköpfige Chons mit der Mondscheibe, von den Griechen mit Herakles gleichgesetzt, wurde früher häufig fehlerhaft als Re-Harachte identifiziert. Weitere Götter in den Opferhandlungen sind Amun, Mut, Min und Re-Harachte.

Der Zweck des Tempels, seine Beziehungen zu anderen Tempeln in der Senke und die hier durchgeführten Kulte sind bis heute unbekannt. Günther Hölbl schlug vor, dass beide Tempel en-Nāḍūra als Stationsheiligtümer gedient haben könnten.[11] Es ist denkbar, dass der hiesige Tempel aufgrund seiner exponierten Lage für die Beobachtung der Mondphasen genutzt wurde – Chons ist immerhin der Mondgott. Die Verehrung des Kindgotts Chons-das-Kind und die Darstellung von Pavianen lassen auch die Verwendung als Mammisi, als Geburtshaus, nicht abwegig erscheinen.

Anreise

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Der Tempel lässt sich leicht zu Fuß oder mit einem Auto von der Stadt el-Chārga aus erreichen. Man verlässt die Stadt in nördlicher Richtung entlang der Fernverkehrsstraße nach Asyūṭ. Ca. 1 Kilometer nördlich des Pioneers Hotels biegt man bei 1 25° 28′ 20″ N 30° 33′ 24″ O auf eine Asphaltstraße nach Osten ab. Dieser Straße folgt man etwa 650 Meter, sie biegt in diesem Bereich nach Süden ab. Der obere Tempel befindet sich ca. 300 Meter östlich der Straße.

Mobilität

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Bis zu den Tempeln muss man von der Straße aus ca. 100 bzw. 300 Meter zu Fuß laufen. Der Untergrund ist fest.

Sehenswürdigkeiten

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Kleiner, unterer Tempel

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Kleiner Tempel von Nāḍūra, el-Charga

Der 1 kleine Tempel von Nadura (25° 28′ 19″ N 30° 33′ 34″ O) liegt in der Ebene im Norden des gleichnamigen Dorfes und westlich des oberen Tempels. Der ca. 13,5 Meter lange Sandsteintempel bestand aus einer breiten Vorhalle im Osten und zwei hintereinander liegenden schmalen Räumen. Vom Türsturz des dritten Durchgangs, der die Sonnenscheibe mit zwei Uräen trägt, abgesehen, gibt es keine Hinweise auf weitere Dekorationen.

Großer, oberer Tempel

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Der 2 große Tempel von Nadura (25° 28′ 8″ N 30° 33′ 51″ O) befindet sich auf einem Hügel nordöstlich des gleichnamigen Dorfes und östlich des kleinen Tempels. In ihm wurde der Mondgott Chons bzw. Chons als Kindgottheit verehrt. Der Tempel wurde von einer von Norden nach Süden 65 Meter langen und 40 Meter breiten Lehmziegelmauer umgeben, die auf der Südseite noch Überreste eines Sandsteintors aufweist. In diesem Areal befand sich einst auch ein Brunnen.

Der heute stark zerstörte Sandstein-Tempel hatte eine Länge von 21 Metern. Im Wesentlichen ist heute nur noch die etwa 7 × 12 Meter große Vorhalle erhalten, die man im Osten betritt. An der Front der Vorhalle befanden sich vier Säulen und halbhohe Schrankenwände.

Die Darstellungen verteilten sich meist auf drei Register (Bildstreifen), von denen das obere nun teilweise oder ganz fehlt, und stammten hauptsächlich aus der Zeit des Antoninus Pius, der auch als Bauherr erwähnt wurde.

Die linke, südliche Wand besitzt eine Tür und Darstellungen in zwei Registern. Das linke obere Register zeigt den König zur linken, wie er einen Wesech-Kragen an Chons-das-Kind opfert. Dazwischen befinden sich drei Göttinnen, die Tamburine schlagen, und eine löwenköpfige Göttin. Rechts oben neben der Tür opfert der König Lotus vor Re-Harachte und zwei nebeneinander stehende Göttinnen mit einer Sonnenscheibe auf dem Kopf. Das untere Register geht über die volle Wand: zur linken erkennt man den König, vor ihm vier kniende Gottheiten, dies sind der Nilgott Hapi und die Feldgöttin Sechet, und rechts außen Chons, Herr von Hibis.

Der Türsturz wäre nicht ganz uninteressant, war 2006 noch an seinem Platz, fehlte aber 2011. An den Seiten des Sturzes waren frontal dargestellte stehende Gottheiten in einer Nische, darüber Sterne und die Himmelshieroglyphe zu sehen. Die von Kurth auch diskutierte Variante,[10] dies seinen Darstellungen des Herakles-Harpokrates, den die Griechen mit Chons gleichsetzten, ist nicht ganz abwegig, da dies die hier verehrte Hauptgottheit war.

Oberer Tempel von en-Nāḍūra
Umfassungsmauer des oberen Tempels
Darstellungen im oberen Tempel
Nordwand: Throndende Göttin Mut vor Affen und Männer mit hes-Vasen

Die (westliche) Rückwand zeigt den König bei verschiedenen Opfer- und Kulthandlungen. Die Wand besitzt in der Mitte den Zugang zum Tempelhaus. Die Wände zu beiden Seiten sind mit je einer Halbsäule unterteilt. Das äußere linke Feld besitzt drei Register. Das oberste zeigt den König in der Mitte über dem Vereinigungssymbol. Hinter ihm steht eine Göttin, wohl die Schreibergöttin Seschat, mit Hebsed-Zepter – als Zeichen des Krönungsjubiläums –, vor ihm ein Gott auf der linken Seite. Im mittleren Register opfern der König und die oberägyptische Kronengöttin Nechbet Wein und Lebensjahre an den jungen, menschenköpfigen Chons. Das unterste Register zeigt links den König vor Osiris und Isis. Das rechte Nachbarfeld zeigt den König bei zwei Opferhandlungen. Oben opfert der König Leinen und Salbe an den falkenköpfigen Chons und an Mut, darunter opfert der leider zerstörte König vor dem falkenköpfigen Chons und dem menschenköpfigen Amun.

Der Türsturz besitzt eine Doppelszene: zur linken opfert der König Milch an Amun und Mut bzw. Blumen an Re-Harachte. Zur rechten opfert er vor Chnum und einer Göttin sowie vor Chons von Theben. Die obersten Pfostenregister zeigen den opfernden König vor dem falkenköpfigen (links) und mumienförmigen Chons.

Das rechts neben der Tür befindliche Feld besitzt wieder zwei Register. Oben opfert der König Wein an die thronenden Götter Chons und Mut, darunter an Chons und den widderköpfigen Amun von Hibis. Das äußerste rechte Feld besitzt Parallelen zum linken Feld. Oben erkennt man wieder den König über dem Vereinigungssymbol, wie er von einer Göttin gefolgt wird. Diesmal erhält er das Hebsed-Zepter vom Schreibergott Thot. Im zweiten Register opfern der König zur rechten und die unterägyptische Kronengöttin Buto (Wadjet) dem jungen falkenköpfigen Chons. Im untersten Register betet der König Amun-Re und eine Göttin an.

Die rechte, nördliche Wand besitzt ebenfalls eine Tür. Links der Tür gibt es Darstellungen in drei Registern. Das oberste zeigt die throndende Göttin Mut vor Affen mit Tamburinen und darunter vor Männern mit hes-Vasen. Dahinter folgt, wieder über die volle Registerhöhe, zweimal der König, beim zweiten Mal vor Opfern. Das mittlere Register zeigt drei Frauen mit Tamburinen (rechts) vor einer Göttin mit Tamburin und einem Gott (links). Auf dem Sockel sind wieder die Nilgötter Hapi und die Feldgöttinnen Sechet mit Opfergaben vor Chons, dem Herrn von Hibis, dargestellt.

Das Register über dem Türsturz, das sich nach rechts fortsetzt, zeigt zwei Göttinnen, vier Affen und den König, wie sie dem thronenden Chons preisen. In den beiden darunter liegenden Registern opfert der König vor Min und einem Gott bzw. vor einer Göttin.

Von den im Westen befindlichen Tempelteilen und dem Sanktuar (Allerheilgstes) sind nur noch die Grundmauern erhalten.

Küche

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Restaurants gibt es in der Stadt el-Chārga und im Eingangsbereich zum Friedhof von el-Bagawāt.

Unterkunft

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Eine Unterkunft wird üblicherweise in der Stadt el-Chārga gewählt.

Ausflüge

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Der Besuch der Tempel von en-Nadura lässt sich mit dem Besuch des Hibis-Tempels und dem Friedhof el-Bagawāt verbinden.

Literatur

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  • Naumann, Rudolf: Bauwerke der Oase Khargeh. In: Mitteilungen des Deutschen Instituts für ägyptische Altertumskunde in Kairo (MDIK), Bd. 8 (1939), S. 1–16, Tafeln 1–11; insbesondere S. 10 f., 13, Abb. 5, Tafel 9.
  • Klotz, David: Chonsu at Nadura Temple. In: Göttinger Miszellen (GM), ISSN 0344-385X, Bd. 226 (2010), S. 25–34.
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Einzelnachweise

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  1. 1,0 1,1 Schweinfurth, Georg: Notizen zur Kenntniss der Oase El-Chargeh : I. Alterthümer. In: Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann, Bd. 21 (1875), S. 384–393, Tafel 19 (Karte), insbesondere S. 390.
  2. Bagnall, Roger S.: The Camp of Hibis. In: Gagos, Traianos ; Bagnall, Roger S. (Hrsg.): Essays and texts in honor of J. David Thomas. Oakville, Conn.: American Society of Papyrologists, 2001, American studies in papyrology ; 42, ISBN 978-0-9700591-3-0, S. 3–9.
  3. Cailliaud, Frédéric ; Jomard, [Edme François] (Hrsg.): Voyage à l’oasis de Thèbes et dans les déserts situés à l’orient et à l’occident de la Thébaïde : fait pendant les années 1815, 1816, 1817 et 1818. Paris: Impr. Royale, 1821, S. 93 (Textband), Tafel XVI (Tafelband).
  4. Edmonstone, Archibald: A journey to two of the oases of Upper Egypt. London: Murray, 1822, S. 62 f.
  5. Hoskins, George Alexander: Visit to the great Oasis of the Libyan desert. London: Longman, 1837, S. 131 f.
  6. Rohlfs, Gerhard: Drei Monate in der Libyschen Wüste. Cassel: Fischer, 1875, S. 312. Nachdruck Köln : Heinrich-Barth-Institut, 1996, ISBN 978-3-927688-10-0Open Access
  7. Brugsch, Heinrich: Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste : Beschreibung ihrer Denkmäler. Leipzig: Hinrichs, 1878, S. 58 f., Tafel V.
  8. Sauneron, Serge: Les travaux de l’Institut français d’archéologie orientale en 1975-1976. In: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale (BIFAO), Bd. 76 (1976), S. 391–425, insbesondere S. 411, § 603.
  9. Sauneron, Serge: Les temples gréco-romains de l’Oasis de Khargeh. In: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale (BIFAO), Bd. 55 (1955), S. 23–31, Tafeln I–XX, insbesondere 25 f., Tafeln II (oberer Tempel), III (unterer Tempel).
  10. 10,0 10,1 Kurth, Dieter: Einige Anmerkungen zum oberen Tempel von Nadura in der Oase Charga. In: Dielheimer Blätter zur Archäologie und Textüberlieferung der Antike und Spätantike (DBAT), ISSN 1434-0909, Bd. 27 (1991), S. 172–180.
  11. Hölbl, Günther: Altägypten im Römischen Reich ; 3: Heiligtümer und religiöses Leben in den ägyptischen Wüsten und Oasen. Mainz am Rhein: Zabern, 2005, Zaberns Bildbände zur Archäologie, ISBN 978-3-8053-3512-6, S. 46 f., 52–55 (Abb. 74–80).
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