Qaṣr el-Bāwīṭī

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Palmengärten im Norden von el-Qaṣr
Qaṣr el-Bāwīṭī · قصر الباويطي
GouvernementGīza
Einwohnerzahl8.051 (2006)
Höhe
Lagekarte von Ägypten
Lagekarte von Ägypten
Qaṣr el-Bāwīṭī

Qasr el-Bawiti (arabisch: ‏قصر الباويطي, Qaṣr al-Bāwīṭī, „Festung al-Bāwīṭī“) oder kurz el-Qasr (القصر, al-Qaṣr, „die Festung“) war einst ein eigenständiges Dorf und bildet heute einen Stadtteil im Westen von el-Bāwīṭī. El-Qasr hat in weiten Teilen seinen dorfhaften Charakter erhalten. In seinem Westen befinden sich archäologische Zeugnisse aus der altägyptischen Spätzeit und der römischen Zeit. Im Nordosten des Dorfes befindet sich am Rand der Palmengärten die Quelle 'Ain el-Bischmu, die eine der bedeutendsten Quellen in der gesamten Senke ist.

Hintergrund[Bearbeiten]

Karte
Plan von Qaṣr el-Bāwīṭī

Die Senke el-Baḥrīya erlebte in der 26. altägyptischen Dynastie einen bedeutsamen Aufschwung und war wichtiger Produktionsstandort für Datteln, Oliven, Wein und Getreide. Mindestens seit dieser Zeit besteht auch el-Qaṣr[1] und ist insbesondere in griechisch-römischer Zeit der Hauptort der Senke.

Die Existenz einer Ansiedelung im Bereich von el-Qaṣr seit der ägyptischen Spätzeit belegt eine einzeilige Deckeninschrift in einer hiesigen Kapelle, in der der König Apries aus der 26. Dynastie genannt wird.[2] Zudem wurden Reliefsteine eines Herkulestempels in el-Qaṣr gefunden, die aber hierher verschleppt worden sein könnten.[3]

Auch in römischer Zeit war das Dorf besiedelt, davon zeugt der große Triumphbogen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch in großen Teilen erhalten war.

In den 1930er- und 1940er-Jahren wurden beim Abriss von Häusern in el-Qaṣr zehn arabisch beschriftete, aber undatierte Ostraka (Steinscherben) gefunden, die eine Besiedelung durch Kopten und Araber belegen.[4] Diese Schriftzeugnisse wurden von Adolf Grohmann (1887–1977) in das 9. Jahrhundert (3. Jahrhundert AH) und von Ahmed Fakhry (1905–1973) in die (früh)mamelukische Zeit (13./14. Jahrhundert) datiert. Ein Verpflichtungsschein (Schuldschein) dürfte das interessantestes Dokument sein, da es eine frühe Rechtsurkunde darstellt. Weitere Schriftstücke sind eine Pachtquittung und ein Brief eines Yaʿqūb an einen Girga, Sohn des Yūsuf. Ein Großteil der genannten Personen besitzt einen koptischen (christlichen) Hintergrund.

Der moderne Name des (ehemaligen) Dorfes El-Qaṣr dürfte sich vom genannten römischen Triumphbogen, der sich im Norden des Dorfes befand, ableiten. Der antike Name des Orts ist unbekannt.

Es gab lange Zeit die Vermutung, dass sich die im römischen Staatshandbuch Notitia dignitatum (Not.dign.or. 28,22) als Quartier eines Truppenteils, einer armenischen Reiterschwadron (Ala secunda Armeniorum), ausgewiesene Kastrum Psôbthis (griechisch Καστρον Ψώβθεος)[5] hier in el-Qaṣr befunden haben könnte.[6] Mittlerweile ist man davon abgerückt und lokalisiert Psôbthis im Niltal in der Nähe von Oxyrhynchus, dem heutigen el-Bahnasā.[7]

1980 lebten hier 2.000 Einwohner in etwa 450 Haushalten, die 300 Faddān (126 Hektar) Land mit 33.000 Dattelpalmen bewirtschafteten. Das Wasser wurde aus sieben „römischen“ (das sind alte) und drei modernen Tiefbrunnen bezogen.[8] 2006 wurden 8.051 Einwohner gezählt.[9]

Anreise[Bearbeiten]

Hinweise zur Anreise gibt es im Artikel el-Bāwīṭī.

Mobilität[Bearbeiten]

Die wichtigsten Straßen sind asphaltiert, ein Teil sind aber nur festgefahrene Pisten. Man kann sich gut zu Fuß, mit dem Fahrrad, Motorrad oder einem Auto bewegen. Im Falle der Nutzung von PKW, oder besser geländegängigen Fahrzeugen, sollte man berücksichtigen, dass einige Gassen zum Teil recht eng sind.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten]

Quelle 'Ain el-Bischmu[Bearbeiten]

Auch wenn der Ort durch eine moderne Pumpstation nicht gerade aufgewertet wird, so ist die alte Quelle 1 'Ain el-Bischmu (28° 21′ 10″ N 28° 51′ 49″ O), auch Ain/Ayn el-Bishmu, عين البشمو, ʿAin al-Bischmū, „Bischmū-Quelle“, einer der reizvollsten Plätze vor Ort. Diese Quelle zählt seit Alters her zu den bedeutendsten Quellen in der Senke el-Baḥrīya. Das Alter merkt man ihr an, wenn die Einheimischen von einer „römischen“ Quelle sprechen.

Die Quelle 'Ain el-Bischmu entspringt einem Felsmassiv, das sich im Süden der Quelle befindet. Das Wasser fließt nach Norden und bewässert die Palmengärten im Norden der Stadt.

'Ain el-Bischmu
'Ain el-Bischmu
Gebäude und Grab oberhalb der Quelle
'Ain el-Bischmu nach Cailliaud, 1823

Spaziergang durchs Dorf[Bearbeiten]

Ein Spaziergang durch el-Qasr lohnt. Es sind immer noch eine Reihe alter Lehmziegelhauser erhalten, auch wenn sie nicht mehr alle bewohnt werden. Unterbrochen werden die Häuserzeilen durch Gärten mit Palmen und Obstbäumen. Im Falle von verfallenen Gebäuden kann man einen Eindruck von der Innenausstattung der Häuser gewinnen.

Gasse in el-Qaṣr
Zerfallen Häuser in el-Qaṣr
Gasse in el-Qaṣr
Wandmalereien
Dekorierte Hauswand

Moschee[Bearbeiten]

Im Südosten von el-Qaṣr befindet sich die libysche oder 1 Sanusi-Moschee (28° 21′ 10″ N 28° 51′ 45″ O), جامع زاوية السنوسية, Ǧāmiʿ Zāwiya as-Sanūsīya, „Sanūsi-Moschee“. Dicht nebeneinander stehen zwei Moscheen: die moderne im Süden und die historische Moschee im Norden. Die alte Moschee wurde um 1900 von den Anhängern der Sanusi-Bruderschaft aus Lehmziegeln errichtet. Der Gebetsraum ist mit Pfeilern in Form einer Arkade unterteilt, die das Dach aus Palmenstämmen tragen. An der Wand steht eine hölzerne Kanzel (Minbar). Im Osten der Moschee befindet sich ihr Minarett, dessen untere Hälfte etwa quadratisch ist, während der Oberteil rund ist und sich nach oben zuspitzt. Im Oberteil befindet sich auch eine umlaufende Holzgalerie mit Geländer.

Minarett der Libyschen Moschee
Blick von Osten auf die Moschee
Im Inneren der Moschee
Grab des Scheichs Hamad

Scheich-Gräber[Bearbeiten]

In el-Qaṣr gibt es auch einige Gräber von bedeutenden Persönlichkeiten. Sie wurden ebenfalls aus Lehmziegeln errichtet. Der Unterteil hat etwa quadratischen Grundriss, während die nach oben spitz zulaufende Kuppel rund ist. Sie besitzen nur einen Eingang, aber keine Fenster. Zur Lüftung und Beleuchtung besitzt die Kuppel zahlreiche runde Öffnungen.

Zu den wichtigen Gräbern gehören:

Römischer Triumphbogen[Bearbeiten]

Das bedeutendste Zeugnis aus römischer Zeit ist der 3 Triumphbogen (28° 21′ 18″ N 28° 51′ 31″ O), القصر القديم الروماني, al-Qaṣr al-qadīm ar-rūmānī, von dem heute aber nur noch die mehrere Meter hohe Plattform im Norden von el-Qaṣr erhalten ist.

Von seiner einstigen Pracht lässt sich heute nichts mehr ausmachen. Recht vollständig ist er noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Frédéric Cailliaud (1787–1869) und George Alexander Hoskins (1802–1863) gesehen und gezeichnet[10] bzw. beschrieben[11] worden.

Nordseite des Triumphbogens
Nordseite des Triumphbogens nach Cailliaud, 1823
Südseite des Triumphbogens nach Cailliaud, 1823

Hoskins beschrieb, dass sich der Triumphbogen auf einer 128 Fuß (43 Meter) langen und 33 Fuß (10 Meter) hohen Plattform befand, die oben mit einer Art Hohlkehle abgeschlossen war. Der Triumphbogen öffnete sich nach Norden und war 25 Meter lang. Zu beiden Seiten des Bogens befand sich eine Kapelle mit einer Nische. Die Kapellen und Nischen waren mit Pilastern (Halbpfeilern) bzw. Säulen eingefasst. Wie Rohlfs schilderte, war 1874 der Verfall schon weit fortgeschritten.[12]

Tempel des Bes[Bearbeiten]

Der erst 1988 entdeckte 2 Tempel des Bes (28° 20′ 52″ N 28° 51′ 30″ O) ist zwar umzäunt, und man darf das Gelände nicht betreten. Dennoch lassen sich seine Bestandteile auch von außen wahrnehmen. Der ptolemäische (griechische) Tempel für den Gott Bes wurde bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert genutzt und zu Beginn der christlichen Zeit zerstört. Der noch bis zu einem Meter anstehende Lehmziegeltempel ist etwa 20 × 14 Meter groß, steht auf einem Kalksteinfundament und ist von Nord nach Süd ausgerichtet. Ein langer Aufweg, der vielleicht mit Sphingen gesäumt war, führte zum Eingang im Norden. Der Tempel besteht aus einer breiten Querhalle, die für die Gläubigen genutzt wurde, und dahinter aus weiteren neun Räumen, die als Privaträume des Tempelpersonals sowie als Sanktuar genutzt wurden. Die Unterteilung der neun Räume erfolgte wohl erst in römischer Zeit. Östlich des Tempels gibt es einen Wasserschacht, dessen Wasser vielleicht für Heilzwecke verwendet wurden. Bis zu seiner Entdeckung im Jahre 1988 wurde das Areal dieses Tempels als Tongrube benutzt.

Die Grabungen unter Ashry Shaker förderten in der Querhalle Kupfergefäße für zeremonielle Zwecke – zwei mit Pflanzen dekorierte Kupferschalen und ein Kupfergefäß mit kuhförmigen Beinen (vielleicht als Weihrauchfass) –, eine Schüssel aus roter Keramik, ein Fayence-Uschebti, ein Katzenamulett, ein Horus-Amulett und ein Brettspiel zutage. Der wichtigste Fund war aber eine 1,2 Meter hohe Figur des Gottes Bes, die noch Reste der ursprünglichen Bemalung trug und die hier im Tempel verehrte Gottheit darstellte. Diese Statue war um 2000 noch Bestandteil der Mumienausstellung im Magazingebäude von el-Bawiti. Heute ist sie wohl im Kairoer Ägyptischen Museum magaziniert.

Tempel des Bes von Norden
Tempel des Bes von Norden
Statue des Bes
Qārat al-Farārgī

Qārat al-Farārgī[Bearbeiten]

Im Süden des Dorfes befindet sich sein Friedhof. Zwischen diesem Friedhof und dem Elektrizitätswerk befindet sich ein großer Hügel, der 2 Qārat al-Farārgī (28° 20′ 49″ N 28° 51′ 21″ O), قارة الفرارجِي, Qārat al-Farārǧī, „Hügel der Hühnerhändler“, von den Einheimischen genannt wird.

Vom hiesigen Hügel ist kaum etwas bekannt, und auch die Einheimischen denken, dass es hier nichts zu sehen gibt. An seiner Nordostseite gibt es aber Strukturen, die darauf hindeuten, dass auch dieser Hügel für Begräbnisse benutzt worden sein könnte.

Berühmt ist der Hügel als Namensgeber von Ibis-Galerien, die sich aber nicht hier, sondern im Norden des Friedhofs von el-Bawiti befinden. Zur Zeit der Entdeckung der Ibisgalerien waren weite Teile unbebaut und der etwa 1 Kilometer entfernte Hügel die einzige sichtbare und Namen tragende Örtlichkeit weit und breit.

Weitere Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten]

Im Osten von el-Qaṣr gibt es wichtige archäologische Stätten, die sicher in Bezug zu el-Qasr gestanden haben. Dies sind zum einen die für Touristen zugänglichen Kapellen von ʿAin el-Muftillā, und die römische Festung Qārat eṭ-Ṭūb.

Küche[Bearbeiten]

Einige Restaurants gibt es in el-Bāwīṭī.

Unterkunft[Bearbeiten]

Einige Hotels befinden sich im Bereich von 'Ain el-Bischmu. Deren Beschreibung findet man im Artikel el-Bāwīṭī.

Ausflüge[Bearbeiten]

Der Besuch von el-Qaṣr lässt sich zum Beispiel mit dem Besuch der antiken Stätten im Umfeld von el-Bawiti verbinden. Dies sind das „Museum“ in el-Bāwīṭī, das Gräberfeld von Qārat Qaṣr Salīm, ʿAin el-Muftillā, Qārat Ḥilwa und der Alexander-Tempel bei ʿAin et-Tibnīya. Am bequemsten ist der Ausflug mit einem geländegängigen Fahrzeug oder mit dem Fahrrad. Man kann aber auch zu Fuß laufen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Allgemein
    • Fakhry, Ahmed: The oases of Egypt. Vol. II: Bahrīyah and Farafra Oases. Cairo: The American Univ. in Cairo Pr., 1974, ISBN 978-9774247323, S. 78 f., 89–92 (englisch).
  • Römischer Mauerbogen
    • Fakhry, Ahmed: Baḥria Oasis, vol. II. Cairo: Government Press, 1950, S. 83, Abb. 68, Tafel LI.A.
  • Tempel des Bes
    • Hawass, Zahi: Das Tal der Goldenen Mumien : die neueste und großartigste archäologische Entdeckung unserer Tage. Bern; München; Wien: Scherz, 2000, ISBN 978-3502153009, S. 168–173.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Die in der Nähe bei Qārat eṭ-Ṭūb gefundenen Gräber datieren bereits in die 13. bis 18. altägyptische Dynastie.
  2. Fakhry, Ahmed: Die Kapelle aus der Zeit des Apries in der Oase Bahria. In: Archiv für ägyptische Archäologie, Bd. 1 (1938), S. 97–100, Tafel IX.
  3. Wagner, Guy: Le temple d’Herakles Kallinikos et d’Ammon à Psôbthis-el Qasr, métropole de la petite oasis (Notes de voyage à l’oasis de Baharieh, 18–25 janvier 1974. In: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale, Bd. 74 (1974), S. 23–27.
  4. Grohmann, Adolf: Einige arabische Ostraka und ein Ehevertrag aus der Oase Baḥrīya. In: Studi in onore di Aristide Calderini e Roberto Paribeni ; 2: Studi di Papirologia e antichitá orientali. Milano: Casa ed. Ceschina, 1957, S. 499–509.Fakhry, Ahmed, 1974, a. a. O., S. 71, Fußnote 2.
  5. Der Name leitet sich aus dem altägyptischen PꜢ-sbtj für Temenos, einem abgegrenzten Tempelareal, ab, was einen Hinweis auf ein Heiligtum darstellen würde.
  6. Siehe z. B. Wagner, Guy: Les oasis d’Égypte : à l’époque grecque, romaine et byzantine d’après les documents grecs. Caire: Inst. français d’archéologie orientale, 1987, Bibliothèque d’étude ; 100, S. 391.
  7. Colin, Frédéric ; Laisney, Damien ; Marchand, Sylvie: Qaret el-Toub : un fort romain et une nécropole pharaonique. Prospection archéologique dans l’oasis de Baḥariya 1999. In: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale (BIFAO), Bd. 100 (2000), S. 145–192, insbesondere S. 158–163.
  8. Bliss, Frank: Oasenleben : die ägyptischen Oasen Bahriya und Farafra in Vergangenheit und Gegenwart. Bonn, 2006, S. 50.
  9. Einwohnerzahlen nach dem ägyptischen Zensus von 2006. In: Central Agency for Public Mobilization and Statistics, abgerufen am 16. Dezember 2014.
  10. Cailliaud, Frédéric: Voyage a Méroé, au fleuve blanc, au-delà de Fâzoql dans le midi du Royaume de Sennâr, a Syouah et dans cinq autres oasis … Atlas, Tome II. Paris: Imprimerie Royale, 1823.
  11. Hoskins, George Alexander: Visit to the Great Oasis of the Libyan Desert : with an account, ancient and modern, of the oasis of Amun, and the other oases now under the dominion of the pasha of Egypt. London: Longman u.a., 1837, S. 225–227.
  12. Rohlfs, Gerhard: Drei Monate in der Libyschen Wüste. Cassel: Fischer, 1875, S. 220 f. Nachdruck Köln : Heinrich-Barth-Institut, 1996, ISBN 978-3-927688-10-0Open Access
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