Hībis

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Hībis-Tempel, Blick nach Nordwesten
Hībis · هيبس
Ἱβις · Hibeos
GouvernementNeues Tal
Einwohnerzahl
Höhe
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Hībis

Hibis (altägyptisch: Ḥebet, „Pflugstadt“, lateinisch: Hibeos, griechisch: Ἱβις, Ἱβιτῶν πόλις, Ἥβις, koptisch: ϨⲎⲂ, arabisch: ‏هيبس, Hībis) ist eine archäologische Stätte im Norden der ägyptischen Senke el-Chārga in der Westlichen Wüste. Hier befindet sich der in der Spätzeit errichtete und in persischer Zeit unter Darius d. Gr. dekorierte Tempel des Amun-Re von Hibis. Dieser Tempel zählt zu den besterhaltenen Tempeln in Ägypten und ist die bedeutendste Tempelanlage in der Westlichen Wüste.

Hintergrund[Bearbeiten]

Lage und Bedeutung[Bearbeiten]

Die Metropole und heutige archäologische Stätte Hibis (altägyptisch Ḥbt, „Pflugstadt“) befindet sich etwa 1,5 km nördlich der modernen Stadt al-Charga in der gleichnamigen Senke und südlich des römisch-christlichen Friedhofs Gabbānat el-Bagawāt am südlichen Ausläufer des Gebel eṭ-Ṭeir. Die genauen Ausmaße der einstigen Metropole sind bis heute unbekannt, da es bisher keine umfassenden Grabungen gibt. Die etwa einen Quadratkilometer große Stadt reichte im Osten wohl bis an den Hügel en-Nāḍūra mit dem Chons-Tempel, im Westen bis an die südlichen Ausläufer des Gebel Tārif und im Süden bis in das Gebiet der heutigen Stadt el-Chārga.[1]

Der Hibis-Tempel befand sich im Zentrum der Stadt im Westen eines großen antiken Sees, der zum Gebiet des antiken Hibis gehörte. Nördlich des Tempels befindet sich die archäologische Stätte ʿAin el-Charāb, auch ʿAin et-Turba genannt, mit seinen Siedlungsüberresten und Felsengräbern.

Die Stadt besaß wichtige geostrategische Bedeutung und entwickelte sich zum Handelszentrum. An ihr führte die antike Karawanenstraße Darb el-Arbaʿīn von Asyūṭ nach Dārfūr im Sudan vorbei. Im Norden führte die Piste Darb ʿAin Amūr nach ed-Dachla entlang, die seit dem altägyptischen Alten Reich genutzt wurde.[2]

In arabischer Zeit wurde der Ort auch el-Miamun genannt.

Geschichte[Bearbeiten]

Der Ort Hibis ist erst seit der Spätzeit belegt. Archäologische Belege für das Alte und Mittlere Reich für die Senke al-Charga gibt es bisher kaum.[3] Verwaltungstechnisch gehörte die Senke zumindest im altägyptischen Neuen Reich zum 8. oberägyptischen Gau.[4]

Man vermutet, dass der Hibis-Tempel bereits in der 26. Dynastie, der sog. Saitenzeit, errichtet wurde. Es ist denkbar, dass der Tempel an der Stelle eines Vorgängerbaus errichtet wurde, da entsprechende Fragmente bei den Grabungen gefunden wurden.[5] Die Dekoration des Tempels erfolgte erst in persischer Zeit unter Darius d. Gr.[6] und seinem Nachfolger Darius II. Weitere Ergänzungen und Dekorationen wurden unter Hakoris, Nektanebos I., Nektanebos II. und von ptolemäischen Königen angebracht.

In römischer Zeit war Hibis der Sitz eines römischen Strategen (Gauvorstehers), der an den Toren des Hibis-Tempels Edikte – das waren öffentliche Bekanntmachungen im römischen Recht – anbringen ließ. Das früheste Edikt, das des Gnaeus Vergilius Capito, wurde 49 n. Chr. vom Strategen Posidonios veröffentlicht. Das jüngste und bedeutendste Edikt stammt vom Präfekten Tiberius Iulius Alexander und wurde 68 n. Chr. vom Strategen Iulius Demetrius angebracht. Es behandelt wirtschaftliche und fiskalische Angelegenheiten.[7]

Der Tempel wurde bis zum Aufkommen des Christentum am Ende des 4. Jahrhunderts genutzt. Noch im 3. Jahrhundert ließ Hermeias, Sohn des Hermophilus von Hermupolis, eine neue Steinpflasterung anlegen.[8]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten]

Der Anfang des 19. Jahrhunderts gilt als große Zeit der Entdeckungen in der Westlichen Wüste. Der Franzose Frédéric Cailliaud (1787–1869) entdeckte 1818 den Hībis-Tempel.[9] Ihm folgen 1819 Archibald Edmonstone (1795–1871),[10] sowie 1825 bzw. 1832 die Briten John Gardner Wilkinson (1797–1875)[11] bzw. George Alexander Hoskins (1802–1863)[12]. Der Deutsche Heinrich Brugsch (1827–1894) legte 1878 die erste wissenschaftliche Beschreibung des Hībis-Tempels vor.[13] Im Verlauf der Expedition des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs (1831–1896) wurden 1874 erste Fotografien von diesem Tempel angefertigt.[14][15] Nicht nur, dass man schon die Besuchsinschriften der Vorgänger vorfand, man fügte die eigenen auch noch hinzu.

Eine umfangreichere Untersuchung des Hibis-Tempels erfolgte erst durch die amerikanischen Ägyptologen Herbert E. Winlock und Norman de Garis Davies in den Jahren 1909–1913 und 1926–1939, die ihre Grabungen im Rahmen der Egyptian Expedition für das Metropolitan Museum of Art in New York durchführten und dokumentierten. In den 1980er-Jahren wurden die Inschriften des Hibis-Tempels nochmals vom kanadischen Ägyptologen Eugene Cruz-Uribe analysiert und veröffentlicht.

Anreise[Bearbeiten]

Der Tempel von Hibis liegt unmittelbar im Norden der Stadt el-Chārga westlich der Fernverkehrsstraße nach Asyūṭ. Er kann leicht mit einem PKW oder zu Fuß erreicht werden.

Mobilität[Bearbeiten]

Den Tempel ergründet man zu Fuß. Der Boden ist mit Steinplatten ausgelegt.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten]

Karte
Lageplan des Tempels von Hībis

Der Tempel des Amun-Re von ist täglich von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt LE 180 und für Studenten LE 90 (Stand 12/2023). Zudem gibt es ein Kombiticket für alle archäologischen Stätten in el-Chārga für LE 120 bzw. LE 60, das einen Tag lang gültig und sogar preiswerter ist (Stand 2/2024). Lassen Sie sich die Innenbeleuchtung des Tempels einschalten! Für Fotografen: Das Licht ist meist weiß, nur im Sanktuar gelb.

Das 1 Kassengebäude befindet sich im Osten der archäologischen Stätte in der Nähe der Fernverkehrsstraße nach Asyūṭ. Nach 80 m im westlicher Richtung erreicht man das 1 Besucherzentrum und nach weiteren 100 m die 1 Kaianlage des Tempels.

Der Sandsteintempel von Hibis, dem Amun geweiht, wurde wahrscheinlich in der 26. Dynastie (Saitenzeit) erbaut und unter dem persischen Großkönigen Darius I. (der Große) und seinem Nachfolger Darius II. dekoriert (28. Dynastie). Unter dem König Hakoris (29. Dynastie ) wurde der Tempel um eine Säulenhalle und unter Nektanebos I. und dem II. (30. Dynastie) um eine Säulenvorhalle und die steinerne Umfassungsmauer ergänzt. Die beide ersten Toren stammen erst aus der Ptolemäerzeit. Von der Umfassungsmauer (28 × 62 Meter) ist heute nur noch der Tordurchgang erhalten.

Die unter den persischen Großkönigen vorgenommene Dekoration entspricht der altägyptischen Tradition, man sieht den König im Zusammenhang mit der Vereinigung beider Länder (Ober- und Unterägypten), Darius wird von Chnum geformt, der jugendliche Darius wird von der Göttin Mut gestillt, Darius steht am Isched-Baum, auf den der Gott Thot Darius’ Namen schreibt, Darius wird in den Tempel eingeführt usw. Der König Darius trägt immer die Insignien und Tracht eines Pharao, seine Krone ist aber mit langen, auf den Rücken herabfallenden Bändern versehen.

Blick auf den Portikus
Erster Säulensaal im Tempel von Hibis
Das Relief an der linken Seite des hinteren Durchgangs zeigt Darius den Großen, wie er ein Bildnis der Göttin Maat und weitere Opfergaben an Amun-Re opfert
Erster Säulensaal im Tempel von Hibis. Auf dem Relief erkennt man den falkenköpfigen Seth in Begleitung eines Löwen, wie er die dämonenhafte Schlange tötet

Von der Kaianlage erreicht man nach etwa 20 m das 2 äußere Tor, dessen einzige Dekoration Edikte aus römischer Zeit sind. An der Ostseite des südlichen (linken) Torpfostens befindet sich das Edikt des Präfekten in Ägypten, Gnaeus Vergilius Capito vom 7. Dezember 48 n. Chr., zur Zeit des Kaisers Claudius, das der Stratege Posidonios am 1. Februar 49 anbringen ließ. Im Edikt geht es um die Beschlagnahme von Transportmitteln im Bereich der Oasen in der Westlichen Wüste. Am nördlichen (rechten) Torpfosten wurde das 66-zeilige, 2,5 m lange Edikt des Präfekten in Ägypten, Tiberius Julius Alexander, vom 6. Juli 68 n. Chr., zur Zeit des römischen Kaisers Galba, an der östlichen Außenseite vom Strategen Iulius Demetrius angebracht. Es handelt sich hier um eine der umfangreichsten Inschriften aus römischer Zeit in Ägypten. In ihr wurden Änderungen bei der Erhebung des Pachtzinses für Ackerland entsprechend der tatsächlichen Ertragslage festgelegt, wobei versichert wurde, keine neuen Steuern einzuführen und bestehende Privilegien beizubehalten. Weitere Edikte sind kaum noch erhalten.

Über eine kurze, aus der Ptolemäerzeit stammende Sphingenallee erreicht man das 11,4 m hohe 3 Große Tor, das wohl unter König Ptolemaios II. Philadelphos angelegt wurde. Während die Nordhälfte zerstört ist, erkennt man auf der Laibung den genannten König oder einen seiner Nachfolger mit Atefkrone, wie er ein Bildnis des Gotts Heh an Amun-Re, Mut, Chons, Atum, Schu und Tefnut opfert. Die Königskartuschen sind leer.

50 m weiter westlich befindet sich das 4 innere Tor, gefolgt von den Überresten zweier 5 Granitobelisken. An den Laibungen erkennt man die Darstellungen des Darius, der zum einen ein Bildnis der Maat an Amun-Re und Mut, zum anderen Lattich an Amun-Re opfert.

Danach betritt man den 6 Portikus, die Säulenvorhalle. Auf den Schrankenwänden sieht man Darstellung Nektanebos’ II. bei verschiedenen Ritualen vor Göttern.

Der nun folgende 7 erste Säulensaal des 19 × 44 Meter großen Tempelhauses besitzt nur an seiner Rückwand Dekorationen: Darius ist bei verschiedenen Opferhandlungen vor Göttern, u. a. an Amun-Re, Mut und Chons, zu sehen. Auf der rechten Rückwand ist die berühmte Darstellung des falkenköpfigen, geflügelten Seth zu erkennen, der die Schlange Apophis, den Erzfeind des Gottes Re, mit einer Lanze tötet.

Der zweite Säulensaal zeigt erneut den König Darius bei Opferhandlungen. Berühmt ist dieser Halle wegen der drei Hymnen an den Schöpfergott Amun, die sich an der linken Wand und an beiden Hälften der Rückwand befinden.

Zum Schluss folgt der 8 Opfertischsaal mit dem sich anschließenden Sanktuar (Allerheiligstes), Magazinräumen und der Treppe zum Dach in der Südwest-Ecke. Das Sanktuar enthält eine Liste mit ungefähr 700 Götterdarstellungen und den Schöpfergott Re in verschiedenen Erscheinungsformen, die nächste Göttergeneration selbst zeugend, – vielleicht verbirgt sich hier der Wunsch, die ganze Götterwelt zu verehren.

Über die Dachtreppe erreicht man Dachtempel, der dem Osiris geweiht ist. Er bilden eine Parallele zum später errichteten Tempel von Dendera.

Südwestlich des Tempelhauses befinden sich weitere 9 Gebäude.

Küche[Bearbeiten]

Restaurants gibt es in der Stadt el-Chārga und im Eingangsbereich zum Friedhof von el-Bagawāt.

Unterkunft[Bearbeiten]

Eine Unterkunft wird üblicherweise in der Stadt el-Chārga gewählt.

Ausflüge[Bearbeiten]

Der Besuch des Hībis-Tempels lässt sich mit dem Besuch der Tempel von en-Nadura und dem Friedhof el-Bagawāt verbinden.

Literatur[Bearbeiten]

  • Tempelbeschreibung
    • Myśliwiec, Karol: Herr beider Länder : Ägypten im 1. Jahrtausend v. Chr. Mainz am Rhein: von Zabern, 1998, Kulturgeschichte der antiken Welt ; 69, ISBN 978-3-8053-1966-9, S. 182–189.
    • Eine umfassende wissenschaftliche Darstellung findet man in: Winlock, Herbert Eustis ; Davies, Norman de Garis ; Evelyn-White, H[ugh] G. ; Oliver, James H.: The Temple of Hibis in el Khargeh Oasis. New York: Metropolitan Museum of Art, Egyptian Expedition, 1938–1953 (in Englisch). Zwei Bände und getrennter Tafelband. Im zweiten Band werden auf den Seiten 1–18 das Edikt des Gnaeus Vergilius Capito und auf den Seiten25–45 das Edikt von Tiberius Julius Alexander behandelt.
    • Cruz-Uribe, Eugene: Hibis Temple Project ; 1: Translations, commentary, discussions and sign list. San Antonio, Tex.: Van Siclen, 1988, ISBN 978-0-933175-14-3 (in Englisch).
  • Hymnen an den Schöpfergott Amun-Re
    • Assmann, Jan: Ägyptische Hymnen und Gebete. Freiburg, Schweiz: Universitätsverlag, 1999, Orbis biblicus et orientalis, ISBN 978-3-525-53649-0. Hymnen 128–130.
    • Klotz, David: Adoration of the Ram : five hymns to Amun-Re from Hibis Temple. New Haven, Conn.: Yale Egyptological Seminar, 2006, Yale Egyptological Studies ; 6, ISBN 978-0-9740025-2-1 (in Englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Winlock, The Temple of Hibis, a. a. O., Bd. 1, Tafel XXIX.
  2. Ikram, Salima ; Rossi, Corinna: An Early Dynastic serekh from the Kharga Oasis. In: The journal of Egyptian archaeology, Bd. 90 (2004), S. 211–215.
  3. Siehe vorgenannter Serech, archäologische Stätte von ʿAin ʿAskar.
  4. Blumenthal, Elke u. a. (Hrsg.): Abt. 4: Urkunden der 18. Dynastie ; Übersetzung zu den Heften 5 - 16. Berlin: Akademie-Verl., 1984, S. 356 (Urkunde 280 A, 963), S. 365 (Urkunde 283.h).
  5. Die Vermutung stützt sich u. a. auf Fragmente einer Opferschale mit dem Namen des Königs Apries, siehe Winlock, The Temple of Hibis, a. a. O., Bd. 1, S. 39, 41, Tafel XXVI.A,B.
  6. Darius d. Gr. ließ auch das Sanktuar im Tempel von Qaṣr el-Ghuweiṭa dekorieren.
  7. Bernand, André: La prose sur pierre : dans l'Égypte hellénistique et romaine. Paris: Ed. du Centre National de la Recherche Scientifique, 1992, ISBN 978-2-222-04695-0. Nr. 53–57, Nummer 57 enthält das Edikt von Tiberius Iulius Alexander.
  8. Winlock, The Temple of Hibis, a. a. O., Bd. 1, S. 37, Tafel XXX.
  9. Cailliaud, Frédéric: Voyage à l’oasis de Thèbes et dans les déserts situés à l’orient et à l’occident de la Thébaïde : fait pendant les années 1815, 1816, 1817 et 1818 ; vol. 1. Paris: Impr. Royale, 1821, S. 88–95, Tf. x–xxiii.
  10. Edmonstone, Archibald: A journey to two of the oases of Upper Egypt. London: Murray, 1822, S. 60–74.
  11. Wilkinson, John Gardner: Modern Egypt and Thebes : being a description of Egypt ; including the information required for travellers in that country; Bd. 2. London: Murray, 1843, S. 366–371.
  12. Hoskins, George Alexander: Visit to the great Oasis of the Libyan desert. London: Longman, 1837.
  13. Brugsch, Heinrich: Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste : Beschreibung ihrer Denkmäler. Leipzig: Hinrichs, 1878.
  14. Rohlfs, Gerhard: Drei Monate in der Libyschen Wüste. Cassel: Fischer, 1875, S. 309–311, Fotografie 15 gegenüber S. 309. Nachdruck Köln : Heinrich-Barth-Institut, 1996, ISBN 978-3-927688-10-0Open Access
  15. Museum Schloss Schönebeck (Hrsg.): Fotografien aus der Libyschen Wüste : eine Expedition des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs in den Jahren 1873/74 fotografiert von Philipp Remelé. Bremen: Ed. Temmen, 2002, ISBN 978-3-86108-791-5, S. 71–77.
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