Gināḥ

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Verlassenes Haus in Gināḥ
Gināḥ · جناح
GouvernementNeues Tal
Einwohnerzahl224 (2006)
Höhe71 m
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Lagekarte des Neuen Tals in Ägypten
Gināḥ

Ginah (auch Genah, Gennaharabisch: ‏جناح, Ǧināḥ/Ǧanāḥ, „Flügel“) ist ein Dorf in der ägyptischen Senke el-Chārga, 13 Kilometer südlich der Stadt el-Chārga. Da es im Norden und Westen von Sanddünen bedroht ist, musste es in der Vergangenheit mehrfach nach Süden ausweichen.

Hintergrund[Bearbeiten]

Lage[Bearbeiten]

Das Dorf befindet sich ca. 3 Kilometer westlich der Fernverkehrsstraße von el-Chārga nach Bārīs. Im Norden und Westen wird es von mächtigen Sanddünen begrenzt. Das Dorf erstreckt sich etwa von Nordwesten nach Südosten, wobei sich die ältesten Teile im Nordwesten befinden.

Geschichte[Bearbeiten]

Es ist denkbar, dass es hier oder wenigstens in der Nähe Ansiedelungen seit römischer Zeit gegeben hat. Im Bereich der einstigen Quelle 1 ʿAin ed-Dīb (25° 19′ 57″ N 30° 30′ 25″ O), arabisch: ‏عين الديب, „die Wolfsquelle“, die etwa 3 Kilometer westlich des Dorfes bereits von den Sandmassen überdeckt ist, befinden sich die Überreste einer antiken römischen Siedlung mit Lehmziegelgebäuden und eines Friedhofs.[1] Die Einheimischen erzählen, dass sich an der Quelle des Abends Wölfe versammelten, um auf Haustiere der Dorfbewohner Jagd zu machen. Der Brite George Alexander Hoskins (1802–1863) berichtete von römerzeitlichen Aquädukten in der Ebene des Qurn Gināḥ (arabisch: ‏قرن جناح), der sich etwa vier Kilometer östlich des Dorfes an der östlichen Seite der Fernverkehrsstraße erhebt, die ihr Wasser wohl aus den hiesigen Quellen bezogen haben.

Der deutsche Ethnologe Frank Bliss berichtete aus Gesprächen mit dem ʿUmda, dem Bürgermeister, des Dorfes, Scheich Aḥmad Naṣr Radwān aus der Familie der el-ʿUbrūsī, dass die Dorfgründung zwischen 1730 und 1750 von einem el-ʿUbrūsī aus dem Stamm der Banū Ghāzī erfolgte, der in Sāqīyat el-Ḥamrā' (entweder in der libyschen Kyrenaika, im südlichen Tunesien oder in Marokko) ansässig war. Noch vor 1800 sind weitere Familien aus dem Nildelta und aus Oberägypten hierher gezogen. So stammten z. B. die Familie der Ḥassāna aus Oberägypten und die der Buḥaīriyīn aus der Nildeltaprovinz el-Buḥeira. Das Dorf wurde an der heute trockengefallenen Quelle ʿAin el-Istighrāb (auch Ain Estakherab, Ain Listukhrub, wohl arabisch: ‏عين الاستغراب, „Quelle der Überraschung“) angelegt. Sie war die ergiebigste der Senke, und in ihrer Nähe befanden sich die ertragreichsten Felder. Auch wuchsen hier besonders qualitätvolle Datteln.

Erstmals wurde das Dorf um 1820 vom Italiener Bernardino Drovetti (1776–1852) erwähnt, der feststelle, dass es nach anderthalbstündigen Fußmarsch von Qaṣr en-Nasīma erreichbar war. Letzteres Dorf lag anderthalb Stunden von el-Chārga entfernt.[2]

Auch wenn dem Briten Hoskins, der die Senke 1832 aufsuchte, eher der Sinn nach den archäologischen Stätten als dem Dorf Gināḥ stand, wusste er einiges über das Dorf zu berichten. Die Gassen des Dorfes waren nicht überbaut, sondern nach oben hin offen. Schatten spendeten nur Bäume. Die Gassen waren teilweise so eng, dass beladene Kamele nicht hindurch passten. Im Dorf lebten 250 Menschen, darunter 50 Männer. Die Männer waren dezent mit selbst gefertigten Galabiyas aus brauner Wolle, mit roten Schuhen und Tarbuschen, die mit Turbanen umwickelt waren, gekleidet. Einige der Männer sahen ansehnlich aus. In jedem Fall strahlten sie sowohl Ernst als auch Würde aus.

Der britische Kartograf Hugh John Llewellyn Beadnell (1874–1944), der seine Untersuchungen in der Senke 1898 durchführte, nannte im Bereich des Dorfes zwei herrliche Quellen, die Ain Estakherab (ʿAin el-Istighrāb) und die Ain Magarin. Die ʿAin el-Istighrāb sei die beste und ergiebigste der Libyschen Wüste, die bereits seit Hunderten, wenn nicht Tausenden Jahren in Betrieb war. Sie lieferte 700-800 Gallonen (3000 bis 3600 Liter) Wasser pro Minute, das auch über unterirdische Aquädukte bis in die Ebene am Qurn Gināḥ geleitet wurde.

Die vorrückenden Sandmassen machten den Dorfbewohnern immer wieder zu schaffen. Bliss berichtete, dass die Dorfbewohner seit 1900 viermal umziehen mussten. Die Ostsiedelung, die el-ʿIzbat esch-Scharqīya, wurde 1930 angelegt und bildet auch heute noch den Dorfkern. Als Schildbürgerstreich muss die Ansiedelung mehrerer Familien 1967 ins Dorf Būr Saʿid anmuten, weil diese Siedlung zwei Jahre später wieder verlassen werden musste – wegen Versandung.

Mit jeder Umsiedelung wanderten immer wieder Familien nach el-Chārga oder Kairo ab. 2006 wurden hier noch 224 Einwohner gezählt.[3] 2011 lebten im Dorf noch fünf bis sechs Großfamilien, davon zwei „alte“. Wasser beziehen sie u.a. aus der Quelle ʿAin en-Naṣīla (arabisch: ‏عين النصيلة).

Anreise[Bearbeiten]

Das Darf Gināḥ erreicht man über die Fernverkehrsstraße von el-Chārga nach Bārīs. Ca. 13 Kilometer südlich von el-Chārga zweigt man nach Westen bei 1 25° 19′ 9″ N 30° 33′ 18″ O ab und erreicht nach knapp 3 Kilometern das 1 Dorf (25° 19′ 44″ N 30° 31′ 49″ O).

Mobilität[Bearbeiten]

Die Hauptstraße im Dorf ist asphaltiert. Alles andere sind festgetretene Wege, die sich wegen ihre Enge nur teilweise mit einem PKW passieren lassen.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten]

Gasse in Gināḥ

Das Dorf hat nur wenig Sehenswertes zu bieten. Ein Spaziergang durch das Dorf und seine Gärten im Norden und Westen lohnt. Unmittelbar westlich hinter den Gärten trifft man auf die Sanddünen. Im Nordosten und Osten befinden sich die zum Dorf gehörenden Felder.

Das Kuppelgrab des Scheichs Ḥamīda (arabisch: ‏قبة الشيخ حميدة, Qubba asch-Schaich Ḥamīda) ist bereits Opfer der Wanderdünen geworden.

Auf dem Sandsteinfelsen östlich der Straße, dem ca. vier Kilometer entfernten und ca. 161 Meter hohen Qurn Gināḥ (arabisch: ‏قرن جناح), befindet sich das Kuppelgrab des Scheichs Mugheirib (arabisch: ‏قبة الشيخ مغيرب, Qubba asch-Schaich Mughairib).

Küche[Bearbeiten]

Restaurants gibt es in der Stadt el-Chārga.

Unterkunft[Bearbeiten]

Eine Unterkunft wird üblicherweise in der Stadt el-Chārga gewählt.

Ausflüge[Bearbeiten]

Der Besuch des Dorfes lässt sich mit den archäologischen Stätten von Qaṣr el-Ghuweiṭa und Qaṣr ez-Zaiyān verbinden.

Literatur[Bearbeiten]

  • Hoskins, George Alexander: Visit to the great Oasis of the Libyan desert. London: Longman, 1837, S. 68–70 (Aquädukte, Einwohner des Dorfs), 89 (Anzahl Einwohner), 133 f. (Dorfbeschreibung).
  • Beadnell, Hugh John Llewellyn: An Egyptian Oasis : an account of the oasis of Kharga in the Libyan dessert, with special reference to its history, physical geography, and water supply. London: Murray, 1909, S. 71 f. (Quellen Ain Estakherab, Ain Magarin), 209 f., 215.
  • Bliss, Frank: Wirtschaftlicher und sozialer Wandel im „Neuen Tal“ Ägyptens : über die Auswirkungen ägyptischer Regionalentwicklungspolitik in den Oasen der westlichen Wüste. Bonn: Politischer Arbeitskreis Schulen, 1989, Beiträge zur Kulturkunde ; 12, ISBN 978-3-921876-14-5, S. 93 f.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Vivian, Cassandra: The Western Desert of Egypt : an explorer’s handbook. Cairo: The American University in Cairo Press, 2008, ISBN 978-977-416-090-5, S. 143 f (in Englisch). Vivian bezeichnete die Quelle als Bärenquelle.
  2. Drovetti, [Bernardino]: Journal d’un voyage à la vallée de Dakel. In: Cailliaud, Frédéric ; Jomard, M. (Hrsg.): Voyage à l’Oasis de Thèbes et dans les déserts situés à l’Orient et à l’Occident de la Thébaïde fait pendant les années 1815, 1816, 1817 et 1818. Paris: Imprimerie royale, 1821, S. 99–105, insbesondere S. 99.
  3. Einwohnerzahlen nach dem ägyptischen Zensus von 2006. Central Agency for Public Mobilization and Statistics, abgerufen am 3. Juni 2014.
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