Ṣān el-Ḥagar el-Qiblīya

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Eingang zum Grabungsgelände des antiken Tanis
Ṣān el-Ḥagar el-Qiblīya
صان الحجر القبلية · Tanis · Τάνις
GouvernementScharqīya
Einwohnerzahl43.157 (2006)
Höhe5 m
Lagekarte des Nildeltas in Ägypten
Lagekarte des Nildeltas in Ägypten
Ṣān el-Ḥagar el-Qiblīya

Die Kleinstadt San el-Hagar el-Qibliya, manchmal auch San el-Haggar, arabisch: ‏صان الحجر القبلية, Ṣān al-Ḥaǧar al-Qiblīya, „das südliche Ṣān el-Ḥagar“, befindet sich im ägyptischen Gouvernement esch-Scharqīya im östlichen Nildelta. Im Osten des Dorfes erstreckt sich die archäologische Fundstätte der altägyptischen Stadt Tanis mit ihrem Tempelkomplex und der Königsnekropole aus der Dritten Zwischenzeit. Der Fund der reichen Grabausstatung in der Königsnekropole während des Zweiten Weltkriegs hatte zur Folge, dass er bis heute völlig zu Unrecht nur wenig bekannt ist.

Hintergrund[Bearbeiten]

Lage[Bearbeiten]

Das im östlichen Nildelta gelegene San el-Hagar el-Qibliya befindet sich zu beiden Seiten des tanitischen Nilarms zwischen dem knapp 40 Kilometer entfernten Manzala-See im Norden und der etwa 30 Kilometer entfernten Stadt eṣ-Ṣāliḥīya im Südosten, etwa 28 Kilometer nördlich der Stadt Fāqūs und 70 Kilometer nordöstlich der Gouvernementshauptstadt ez-Zaqāzīq.

Unmittelbar am östlichen Stadtrand befindet sich die Ruinen des einstigen Tanis auf dem Tell Ṣān el-Ḥagar.

Geschichte seit der Zeitenwende[Bearbeiten]

Die Kleinstadt Ṣān el-Ḥagar bietet kaum Sehenswertes. Haupterwerbszweig ist der Fischfang u. a. im nahe gelegenen Manzala-See. In der Stadt lebten 2006 43.157 Einwohner.[1]

In frühchristlicher Zeit, im 4. und 5. Jahrhundert, besitzt die Ortschaft mit ihrem damaligen koptischen Namen Ⲭⲁⲁⲛⲉ/Ⲭⲁⲛⲏ/Ⲭⲁⲛⲓ, Chaane/Chanē/Chani, noch große Bedeutung und war Bischofssitz.[2] Trotz ihrer ruhmreichen Vergangenheit war die Ortschaft in arabisch-islamischer Zeit wohl kaum bewohnt und wurde erst unter dem osmanischen Gouverneur Muḥammad ʿAlī (Regierungszeit 1805 bis 1848) wiederbesiedelt.

Geschichte in pharaonischer Zeit[Bearbeiten]

Ihre Vorgängerstadt Tanis, die griechische Bezeichnung Τάνις für das altägyptisch Djanet, Ḏʿnt, war eine späte Stadtgründung. Im Assyrischen wurde sie Ṣa’nu genannt. Ihre Anfänge reichen bis in die 20. Dynastie im Neuen Reich zurück: sie wurde erstmals als „Feld von Tanis“ auf einem Steinblock Ramses’ II. aus Memphis[3] und im Reisebericht des Wenamun erwähnt,[4] der den König Smendes I. und Tanis als wichtige Handelsstadt für den Warenverkehr nach Syrien-Palästina benennt. Tanis lag im 19. oberägyptischen Gau und war möglicherweise dessen Hauptstadt in der Dritten Zwischenzeit.

Tanis und die Bundeslade

Was haben Tanis und die Bundeslade miteinander zu tun? Eigentlich gar nichts.

Wohl wegen der biblischen Bedeutung von Zoan verlagerte der Regisseur Steven Spielberg (geb. 1946) in dem von ihm 1981 produzierten fiktiven Spielfilm „Jäger des verlorenen Schatzes“ den Aufbewahrungsort der Bundeslade nach Tanis.

Nationalsozialische Archäologen, angeführt vom französischen Forscher Dr. René Belloq, suchten nach ihr, um ihre mythische Macht für militärische Zwecke des Tausendjährigen Reichs einsetzen zu können. Indiana „Indy“ Jones versuchte erfolglos, sie am Fund zu hindern.

Nach dem Fund der Bundeslade in Tanis wurde sie auf einem U-Boot zu einem Nazi-Lager auf einer geheimen Insel in der Ägäis gebracht. Indys Rivale Dr. Belloq kann zwar als Priester mittels Rezitation eines althebräischen Textes die Lade gefahrlos öffnen. In seinen und den Händen von Oberst Dietrich zerfallen die Gesetzestafeln Moses aber zu Staub. Übernatürliche Lichter, Blitze und Feuerarme lassen alle zerschmelzen, die der Öffnung der Bundeslade zusehen. Indy und seine verflossenen Liebe Marion Ravenwood überstehen, weil sie ihre Augen geschlossen halten. Schlussendlich landet die Lade in einer Holzkiste verpackt in einem Lager der US-Armee.

Tanis wurde wohl als Gegenstadt zur Ramsesstadt Pi-Ramesse oder Avaris im heutigen Qantīr unter Nutzung von Spolien aus eben dieser Stadt errichtet. Der Bedeutungszuwachs gegenüber der Ramsesstadt ist noch nicht abschließend geklärt, aber möglicherweise auf eine Nilverlagerung und den damit fehlenden Zugang zum Nil und zum Mittelmeer zurückzuführen.[5]

In der 21. und 22. Dynastie war die Stadt Residenz. Die Könige dieser beiden Dynastien bauten die Stadt aus. Für diesen Ausbau ließ Psusennes I. zahlreiche Bauteile aus der Ramsesstadt nach Tanis bringen, den Amun-Tempel und die erste Umfassungsmauer anlegen. Das Vorhandensein zahlreicher wiederverwendeter Bauteile aus der Zeit Ramses’ II. hatte Wissenschaftler zur falschen Annahme verleitet, dies sei die Ramsesstadt. In der Folgezeit verblaste die Bedeutung der Stadt. Sie wurde erst wieder in der 25. und 26. Dynastie sowie in der 30. Dynastie und in griechischer Zeit wiederbelebt. In griechischer Zeit war sie Gauhauptstadt des 19. unterägyptischen Gaus.

Das etwa 1 × 2 Kilometer große Grabungsgelände von Tanis besitzt einen bedeutenden, etwa 430 × 370 Meter großen Tempelkomplex und Königsnekropole der 21./22. Dynastie. Umfangreichere Bautätigkeiten gab es später nur noch in der 26. und 30. Dynastie. Die Hauptgötter waren Amun bzw. Amun-Rasonther, „Amun-Re, König der Götter“, Mut und Chons-das-Kind, so wie man sie aus Theben kennt.

Der Hauptbau des großen Tempelkomplexes wird durch den Amun-Tempel gebildet. In der Mitte der Nordseite des Komplexes befindet sich der Chons-Neferhotep-Tempel aus der Zeit Nektanebos I., der auch die größere Umfassungsmauer anlegen ließ, und östlich hiervon der Heilige See. Im äußersten Osten findet man noch zahlreiche Säulen des Osttempels Osorkons II. vor. Im Südosten befindet sich noch ein kleiner Horustempel. In der Südwest-Ecke der Umfassungsmauer wurde die Königsnekropole der 21. und 22. Dynastie angelegt. Außerhalb dieser Umfassungsmauer befindet sich im Südwesten noch ein kleinerer Tempelbereich für Mut, Chons und Astarte.

Die Anlagen sind heute weitgehend zerstört. Insbesondere die Kalksteinblöcke wurden seit der römischen Zeit in Kalkbrennereien der Wiederverwendung zugeführt. So verwundert es nicht, dass man hier heutzutage hauptsächlich Granitartefakte vorfindet.

Im Alten Testament wird die Stadt, das biblische Zoan, auch Zeon, Ṣo‘an, zu den wichtigsten ägyptischen Städten gezählt. Die Stadt wurde sieben Jahre nach Hebron errichtet (4 Mos 13,22 EU [Strafgericht Gottes], Jes 19,11 EU, Jes 30,4 EU, Ez 30,14 EU, Ps 78,12–43 EU [Wunder im Gefilde von Zoan]).

Forschungsgeschichte[Bearbeiten]

1798 wurde das Gelände von Tanis von Wissenschaftlern der Napoleon-Expedition aufgesucht und kurz beschrieben.[6] Es folgte die deutsche Lepsius-Expedition.[7] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden erstmals systematische Grabungen im Bereich des Amun-Tempels 1860 durch den französischen Ägyptologen Auguste Mariette (1821–1881)[8], 1883/1884 durch den Briten Sir William Matthew Flinders Petrie (1853–1942)[9] und durch den französischen Archäologen Gaston Maspero (1846–1916)[10] durchgeführt.

Die Sensation gelang aber erst dem französischen Archäologen Pierre Montet (1885–1966) mit seinen Grabungen in den Jahren 1929–1956, der hier die genannten fast unberaubten Königsgräber entdeckte, die unter Lehmziegelgebäuden aus der Spätzeit und der ptolemäischen Zeit begraben waren und zu den bedeutendsten Grabungsfunden in Ägypten gehören: Silbersärge, Goldmasken und üppige Grabausstattung erinnern vielleicht am ehesten an den Grabfund des Tutanchamun. Die Wirren des Zweiten Weltkrieges führten aber dazu, dass dieser Grabfund nicht in das Bewusstsein der archäologisch interessierten Menschheit eingegangen ist. Der Grabschatz ist heute in einem eigenen Saal im Obergeschoss des Ägyptischen Museums zu Kairo ausgestellt – und zwar gleich linkerhand neben der Halle mit den Preziosen Tutanchamuns. Später wurden die Grabungen durch die Société Française des Fouilles de Tanis unter den französischen Archäologen Jean Yoyotte (1927–2009) zwischen 1965 und 1986[11], Philippe Brissaud (geb. 1947) zwischen 1987 und 2013[12] und unter François Leclère ab 2014 fortgesetzt. Das Gelände ist bis heute jedoch noch nicht vollständig ausgegraben worden. So fehlen insbesondere Funde aus byzantinischer und koptischer Zeit.

Totenmaske Psusennes’ I.
Totenmaske des Generals Web-djebau-en-Djedet
Goldkollier Psusennes’ I.
Gold- und Silberschalen des Generals

Weitere wichtige Funde aus Tanis, die sich heute u. a. im Ägyptischen Museum Kairo und dem Louvre in Paris befinden, sind Mähnensphingen des Königs Amenemhet III. aus dem Mittleren Reich (z. B. Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 15.210), die Granit-Büste dieses Königs als Priester (Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 20.001 = CG 395) und die Granit-Doppelstatue des Fische und Blumen opfernden Königs Amenemhet III. als Nilgott, die „Fischopferer-Statue“, die durch Psusennes I. usurpiert wurde (Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 18.221 = CG 392).[13]

Fischopferer-Statue
Mähnensphinx Amenemhets III.
Sphinx Scheschonqs I.
Gott Hauron beschützt den jungen Ramses II.

Zu weiteren Funden aus Tanis gehören zwei Granit-Statuen Sobekhoteps IV., 13. Dynastie (Louvre, Inv.-Nr. A.16; Museum Kairo), eine Diorit-Kolossalstatue Ramses’ II. (Louvre, Inv.-Nr. A.20), die Vierhundertjahrstele Ramses’ II., auf der er Wein im 400. Jahr des Seth an den Gott Seth-des-Ramses opfert (Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 60.539),[14] die 2,31 Meter hohe Granitstatue des kanaanäischen Gottes Hauron/Huron als Falke, der den hockenden Ramses II. als Kind beschützt (Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 64.735),[13] eine Sphinx Scheschonqs I. (Louvre, Inv.-Nr. A.23) und eine Kalksteinstele des Königs Ptolemaios III. Euergetes I. mit dem dreisprachigen Kanopus-Dekret (Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 22.187), die in ihrer Bedeutung mit dem Stein von Rosette vergleichbar ist. Das Dekret enthält Ereignisse aus dem altägyptischen Kalender.[15]

Anreise[Bearbeiten]

Karte
Lageplan von Tanis
Museum von Tanis im Eingangsbereich. Rechts befindet sich der Sargdeckel des Hornacht aus dem Königsgrab 1.

Die Anreise ist nicht ganz einfach. Sie lässt sich mit einem Auto oder Taxi bewerkstelligen. Von ez-Zaqāzīq (Zagazig), etwa 77 Kilometer nordöstlich von Kairo gelegen, fährt man in nordöstliche Richtung über Abū Kebīr bis nach Fāqūs (etwa 50 Kilometer), in Fāqūs biegt man nach Norden in Richtung el-Ḥuseinīya ab. Unterwegs, nach etwa 7 Kilometern, passiert man das Grabungsgelände von Tell eḍ-Ḍabʿa. Zwei Kilometer hinter el-Ḥuseinīya biegt man in Richtung el-Manzala ab, nach 15 Kilometern erreicht man die Kleinstadt Ṣān el-Ḥagar, kurz vor dem Erreichen sieht man das Hinweisschild nach Tanis. Die Gesamtstrecke ab ez-Zaqāzīq beträgt etwa 90 Kilometer.

Ab Fāqūs, das von ez-Zaqāzīq, Kairo und Ismailia mit Servicetaxis erreichbar ist, verkehren Minibusse und Servicetaxis nach Ṣān el-Ḥagar el-Qiblīya. Die 1 Bushaltestelle (30° 58′ 20″ N 31° 52′ 23″ O) befindet sich westlich des Nilarms. Ez-Zaqāzīq selbst ist mit dem Zug oder Linienbus von Kairo erreichbar.

Mobilität[Bearbeiten]

Das Grabungsgelände muss man zu Fuß ergründen.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten]

Man erreicht das Grabungsgelände im Westen. Neben dem Tickethäuschen befindet sich ein 1 kleines Museum, das man zu Beginn oder am Ende des Besuchs besichtigen kann, wenn es geöffnet ist. Öffnungszeiten: 9:00–17:00 Uhr. Eintrittspreis: LE 100 für Ausländer, LE 50 für ausländische Studenten (Stand 12/2023).

Tempel[Bearbeiten]

Karte des Tempelbezirks
Rekonstruktion des Amun-Tempels, Blick nach Osten

Der Tempelkomplex wurde von einer 430 Meter breiten (Ost–West), 370 Meter langen und bis zu 15 Meter starken Tempelumfassungesmauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln umgeben, die von Nektanebos I. begonnen und Ptolemäos II. vollendet wurde. Innerhalb dieser Umfassung gab es eine kleinere, 234 Meter lange und 72 Meter breite Lehmziegel-Umfassungsmauer aus der Zeit Psusennes’ I.

Man betritt zuerst den 1 Tempelkomplex des Amun im Westen durch das fünf Meter breite, und einst 13 Meter hohe 2 Granit-Tor Scheschonqs III. Die kolossale Granit-Statue Ramses’ II. und die 3,9 Meter hohe Granitstatuengruppe Ramses’ II., der sich zwischen Ptah zur Linken und Re-Harachte befindet und seine Kartuschen auf allen Seiten dieser Gruppe anbringen ließ, wurden von Scheschonq III. vor seinem Tor aufgestellt.

Der Südturm zeigt auf der Frontseite unten den König Scheschonq III. vor Amun und dem mumiengestaltigen Chons. Die Füße darüber gehörten dem Gott Min. Die anschließende Seitenwand zeigt den König unten vor Amun und darüber vor Ptah. Auf der Frontseite des Nordturms wurde Scheschonq III. vor Amun und Mut dargestellt. Zwischen beiden Türmen folgt nun eine knapp 16 Meter lange Passage. Der Südturm besitzt eine undekorierte Vertiefung für die Aufnahme des einflügeligen Türblatts, mit dem das Portal verschlossen werden konnte. Der Ostteil der Passage am Südturm zeigt den König, gefolgt von Sachmet, wie er ein Bild der Maat an Amun, Mut und Chons opfert. Rechts daneben wurde erneut der Gott Amun dargestellt. Aus weiteren Blöcken wurde rekonstruiert, dass sich einst darüber die Barken von Mut und Chons befanden.

Zum Torbau gehörten mehrere monolithische Granitsäulen.

Wenn man geradeaus nach Osten weiterläuft, erreicht man den 234 Meter langen Amun-Tempel mit seinen drei Pylonen, vor denen Obeliskenpaare standen. Die beiden westlichen Pylone wurden unter Osorkon II. errichtet, der folgende Kolonnadenhof vom König Siamun. Das Tempelhaus selbst maß 38 × 50 Meter.

Da aber nur noch wenige Reste wie Grundmauern und verstreut liegende Baufragmente vorhanden sind, braucht man schon etwas Fantasie, um sich diesen Tempel vorstellen zu können. Dennoch kann man durchaus interessante Architekturfragmente entdecken. 23 Obelisken, andere Autoren nennen auch 25, säumten die Pylone und wurden im Tempel verbaut. Einer dieser Obelisken Ramses’ II. befindet sich heute in unmittelbarer Nähe des Kairoer Flughafens.

Eingang zum Amun-Tempel
Überreste des Amun-Tempels
König Ramses II., der seine Feinde niederschlägt

Weitere Baufragmente und Statuen zeigen immer wieder den König Ramses II., z. B. bei Opferhandlungen vor verschiedenen Göttern und beim Erschlagen seiner Feinde.

Opfernder Ramses II.
Obelisk Ramses’ II.
Detail des Obelisks Ramses’ II., um 90° gedreht
Statue Ramses’ II.
Statue Ramses’ II.
Statue Ramses’ II.
Prinzessin an der Statue Ramses’ II.

Der 2 Chons-Neferhotep-Tempel stammt aus der Zeit Nektanebos’ I. Die spärlichen Tempelreste des von Süden nach Norden verlaufenden Temples befinden sich nördlich des Amun-Tempels. Weiter östlich ist der 62 × 73 Meter große 1 heilige See gelegen, der in ptolemäischer Zeit aus Kalksteinblöcken früherer Bauten errichtet wurde. Hier fanden sich u. a. noch Kalksteinfragmente eines weiteren Amun-Tempels aus der Zeit Scheschonqs V.

Vom 3 Osttempel Osorkons II. sind noch zahlreiche Säulen und Säulenfragmente von einst zehn sieben Meter hohen Palmkapitell-Granitsäulen erhalten. Diese Säulen stammen möglicherweise aus dem Alten Reich und wurden von Osorkon II. usurpiert, also wiederverwendet. Die Gründungsgruben wurden unter Apries angelegt.

Die Reste des unter Nektanebos I. und Ptolemaios I. errichteten 4 Tempel für Horus von Mesen befinden sich im Südosten des Tempelkomplexes.

Zum Tempelkomplex gehören auch 3 Nilometer.

Nilometer in Tanis
Treppe zum Nilometer
Säulen des Osttempels

Außerhalb des Tempelkomplexes befindet sich noch der unter Siamun (21. Dynastie) angelegte und unter Apries (26. Dynastie) erweiterte sog. 5 Anat-Tempel, der der syrischen Göttin Anat sowie den Göttern Mut und Chons geweiht war und eine eigene 105 × 150 Meter große Umfassungsmauer besaß. Von diesem aus Kalkstein errichteten, 41 mal 64 Meter großen Tempel sind noch die Grundmauern und einige Säulenfragmente erhalten. Die ursprüngliche Zuweisung an die Göttin Anat erfolgte aufgrund des Funds einer Statuengruppe Ramses’ II. für diese Göttin.

Königsgräber von Tanis[Bearbeiten]

Die Königsnekropole von Tanis (Norden ist rechts)

Den Höhepunkt bildet der Besuch der Königsgräber von Tanis, französisch: Nécropole royale de Tanis – NRT. Die Gräber wurden zumeist aus Kalksteinblöcken errichtet und manchmal mit einer Ziegelmauer eingefasst. Die Sargkammer des Psusennes I. und des Amenemope (Grab 3) und die des Osorkons II (Grab 1) wurden mit Granitblöcken verkleidet. Im Osten des Gräberareals befinden sich die Gräber 3, 1 und 2 (von Nord nach Süd), an der Nordwestecke des Grabes 3 das Grab 4, südlich des Grabes 4 das Grab 6 und weiter nördlich des Grabes 4 das Grab 5.

Besichtigen kann man in jedem Fall das Grab 5, da es nach oben offen ist und man es von einer Plattform aus betrachten kann. Der Zutritt zu den anderen Gräbern wird aufgrund ihrer geringen Größe Reisegruppen verwehrt. Als Einzelreisender hat man hier bessere Karten: mit Verhandlungsgeschick – und Bakschisch – findet man bestimmt den Wärter, der die Schlüssel zu den anderen Gräbern besitzt und aufschließt.

Die Gräber 1, 3 und 5 sind mit versenktem, ehemals bemaltem Reliefs dekoriert, die Darstellungen orientieren sich an den thebanischen Königsgräbern. Dies sind Darstellungen aus den Unterweltsbüchern und hymnische Anrufungen an Amun, Chons, Mut, Osiris und Sokar.

Die imposanten Grabausstattungen befinden sich heute im Ägyptischen Museum von Kairo.

Grab 5 des Scheschonq III.[Bearbeiten]

Grab 5 des Scheschonq III. (Norden ist rechts)

Weiter nördlich befindet sich das 4 Grab NRT 5 des Scheschonq III. aus der 22. Dynastie. Es wurde freigelegt und besitzt eine Überdachung, so dass man von oben hineinschauen kann. Das Grab besteht aus der Grabkammer und einer Vorkammer im Norden, die über eine Tür miteinander verbunden sind. Die Wände des Lehmziegelbaus wurden mit Kalksteinblöcken verkleidet und mit versenktem Relief geschmückt, das einst bemalt war. Die Grabkammer enthielt einst zwei Bestattungen: neben dem Sarkophag des Königs Scheschonq III. befand sich ursprünglich der von Scheschonq IV. Heute befindet sich nur noch der Unterteil des Sarkophages Scheschonqs III. in der Kammer etwa in der Grabmitte. Der 3,5 Meter lange Rosengranitsarkophag wurde aus einem einstigen Architrav oder Türsturz gefertigt und enthält noch Inschriftenreste der Könige Hor I. und Sechemre-Chuitaui aus der 13. Dynastie. Zur Grabausstattung Scheschonqs III. gehörten auch die Kanopenkrüge.

Die West-, die Ost- und die Nordwand stellen eine Einheit dar und enthalten Szenen aus dem Buch von Tag und Nacht[16]. Sie bestehen jeweils aus zwei Hälften: oben mit Szenen aus diesem Totenbuch und darunter Einzelszenen zu den verschiedenen Stunden. Die obere Hälfte der Westwand zeigt in drei Registern (Bildstreifen), wie Männer Sonnenbarken im Beisein der Götterneunheit sowie der Seelen von Pe und Nechen ziehen. Die untere Hälfte besteht aus sieben Szenen. Diese sind von rechts nach links: der Gott Osiris, der Gott Sokar-Chentamenti, der falkengestaltige Sokar auf einem Tempel, Orion auf einer Barke unter Sternen, der Königsfalke beschenkt Sokar-Osiris, der Königsfalke beschenkt den Gott Sokar und der Königsfalke mit Abydos-Emblem. Die obere Hälfte der gegenüber liegenden Ostwand enthält in drei Registern Szenen aus dem Totenbuch. Zur Rechten in der unteren Hälfte betet der Königsfalke, der sich über den gebundenen Wappenpflanzen befindet, die Sokar-Barke an. Zur Linken erkennt man die Göttinen Isis und Nephthys, wie sie die Wappenpflanzen von Ober- und Unterägypten vor einer Pyramide binden. Der Hauptteil der Nordseite enthält Szenen aus dem Buch der Nacht. Im unteren rechten Wandteil wurden die trauernden Göttinnen Isis und Nephthys am Djed-Pfeiler dargestellt.

Die Südseite zeigt oben zwei Sonnenbarken: links die Tagesbarke Manedjet, mʿnḏt, für Himmelsüberquerung der Sonne in Gestalt des Re mit Sonnenscheibe von Osten nach Westen und rechts die Nachtbarke Mesektet, msktt, für den Rückweg der Sonne in Gestalt des Atum mit der Doppelkrone Ober- und Unterägyptens unter der Erde. In beiden Barken wird der Sonnengott von den Göttern Horus und Maat begleitet. Darunter sieht man, wie im Beisein zahlreicher Götter Gott Horus den Gott Osiris mit einem Lebenszeichen-Szepter zum Leben erweckt.

Grab Scheschonq III.
Westwand im Grab Scheschonqs III.
Südwand im Grab Scheschonqs III.
Untere linke Hälfte der Ostwand

Auch die Hohlkehlen an den Längswänden wurden mit Totenriten wie Anubis an der Mumie und der Gerichtsszene dekoriert.

Auf den Blöcke in Vorkammer erkennt man, dass in diesem Grab weiterhin der königliche Schreiber Chonsu-Heb und der erste Prophet des Chons-des-Kindes, Wenchefenamun, bestattet wurden.

Grab 3 des Psusennes I.[Bearbeiten]

Grab 3 des Psusennes I. (Norden ist rechts)
Gräber 1, 2 und 7 (Norden ist rechts)

Das 5 Grab NRT 3 des Psusennes I. stammt aus der 21. Dynastie und ist ein Familiengrab. Es besteht aus einer Kalksteinvorkammer und zwei Kalkstein-Seitenkammern im Osten und zwei Granit-Sargkammern im Westen. Die nördliche, linke Grabkammer war für Psusennes I. bestimmt, der in einem äußeren, einem mittleren Granitsarkophag und einem Silbersarg bestattet war. Zur Grabausstattung gehörten Krüge, Uschebtis, Kanopenkrüge und eine Tierbestattung. Die benachbarte südliche Grabkammer war für seine Gemahlin Mutnedjmet bestimmt, wurde aber später von seinem Nachfolger, dem König Amenemope, wiederverwendet, der in einem Silbersarg zusammen mit Halskragen, Pektoralen (Halsketten), Armbändern, Ringen, Gold- und Silbergefäßen bestattet wurde.

Die mit zwei Götterprozessionen mit je elf Göttern dekorierte Vorkammer diente dem König Scheschonq II. als Grabkammer. Der König wurde in einem falkenköpfigen Sarg aus Elektrum zusammen mit Krügen, silbernen Eingeweidesärgen, Kanopenkrügen, Pektoralen und weiteren Amuletten bestattet. In der südöstlichen dekorierten Kalksteinkammer wurde der General Web-djebau-en-Djedet in einem Silbersarg bestattet. Die gemeinsame Bestattung des Beamten, von dem außer seinem Grab nichts bekannt ist, mit Mitgliedern aus dem Könighaus deutet auf seine herausragende Stellung am Königshof hin. Zu seiner Grabausstattung gehörten Goldstatuetten, Gold- und Silbergefäße sowie -schalen, Pektorale, Ringe, Armreifen, Kanopenkrüge, 360 Faiyence-Uschebtis und Modellwerkzeuge. Die letzte Kalksteinkammer diente dem Sohn Psusennes I., Anchefenmut, dem Oberfeldherr des Königs, als Grabstätte.

Das Grab ist üblicherweise nicht zugänglich.

Grab 1 des Osorkon II.[Bearbeiten]

Das 6 Grab NRT 1 des Osorkon II. stammt aus der 22. Dynastie und ist ebenfalls ein Familiengrab. Es besteht aus drei Kalksteinkammern und der Granit-Grabkammer für Osorkon II. Die Grabkammer enthielt teilweise aufgemalte und eingemeißelte Totenriten. Die Kalksteinkammern wurden zum Teil mit Inhalten aus dem Totenbuch Amduat dekoriert. In der westlichen Kalksteinkammer wurde der Sohn Osorkons II., der Hohepriester des Amun-Rasonther Hornacht, in einem Silbersarg und einem Granitsarkophag bestattet. Zur Grabausstattung gehörten Kanopenkrüge und Uschebtis. Die südöstliche Kalksteinkammer diente dem König Takelot II. als Grabstätte. Er wurde mit Uschebtis, Kanopenkrügen und weiteren Krügen bestattet.

Der Zugang zur Grabkammer Osorkons II. ist von der Westseite aus möglich.

Südöstlicher Teil der Königsnekropole
Westzugang zur Grabkammer Osorkons II.
Sarkophag Osorkons II.
Unterweltsdarstellung mit der Kartusche Osorkons II.
Relief im Grab Osorkons II.
Blick zum Grab Takelots II.

Weitere Gräber[Bearbeiten]

Das Grab NRT 2 gehörte Pami aus der 22. Dynastie. Es bestand aus einer Grabkammer mit einem Grabschacht.

Das Grab NRT 4 mit nur einer Grabkammer wurde für Amenemope in der 21. Dynastie errichtet. Es enthielt einige Uschebtis des Königs. Das Grab ist wohl sein erstes Grab. Später wurde er im Grab 3 des Psusennes I. bestattet.

Küche[Bearbeiten]

Es gibt vor Ort keine Restaurants, lediglich die für Einheimische gedachten Imbissstände für Fūl, Falafel und ähnliches.

Unterkunft[Bearbeiten]

Vor Ort gibt es keine Unterkünfte. Einfache Unterkünfte gibt es in der Gouvernementshauptstadt ez-Zaqāzīq, eine deutliche größere Auswahl in Kairo.

Ausflüge[Bearbeiten]

Man kann den Besuch von Tanis mit dem Besuch von Bubastis im Südosten der Gouvernementshauptstadt ez-Zaqāzīq verbinden.

Literatur[Bearbeiten]

Eine populärwissenschaftliche Darstellung der Gräber mit zahlreichen Abbildungen findet man in:

  • Stierlin, Henri ; Ziegler, Christiane: Tanis : vergessene Schätze der Pharaonen. München: Hirmer, 1987, ISBN 978-3777444604.

Für eine Vertiefung muss man auf die wissenschaftlichen Darstellungen zurückgreifen:

  • Römer, Malte: Tanis. In: Helck, Wolfgang ; Westendorf, Wolfhart (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie ; Bd. 6: Stele - Zypresse. Wiesbaden: Harrassowitz, 1985, ISBN 978-3-447-02663-5, Sp. 194–209.
  • Petrie, William Matthew Flinders: Tanis. London: Trübner, 1885–1888, Memoir of the Egypt exploration fund ; 2 und 4. Zwei Bände.
  • Montet, Pierre: Les constructions et le tombeau d'Osorkon II à Tanis. Paris: Mission Montet, 1947, La nécropole royale de Tanis ; 1.
  • Montet, Pierre: Les constructions et le tombeau de Psousennès à Tanis. Paris: Mission Montet, 1951, La nécropole royale de Tanis ; 2.
  • Montet, Pierre: Les constructions et le tombeau de Chéchanq III à Tanis. Paris: Mission Montet, 1960, La nécropole royale de Tanis ; 3. Es werden auch Baufragmente des Königs Scheschonq III. wie das Granit-Tor beschrieben.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Einwohnerzahlen nach dem ägyptischen Zensus von 2006. Central Agency for Public Mobilization and Statistics, abgerufen am 17. Dezember 2014.
  2. Timm, Stefan: Ṣān. In: Das christlich-koptische Ägypten in arabischer Zeit ; Bd. 5: Q - S. Wiesbaden: Reichert, 1991, Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients : Reihe B, Geisteswissenschaften ; 41,5, ISBN 978-3-88226-212-4, S. 2264–2270.
  3. Gardiner, Alan Henderson: The Delta residence of the Ramessides. In: The journal of Egyptian archaeology (JEA), ISSN 0075-4234, Bd. 5 (1918), S. 127–138, 179–200, 242–271, insbesondere S. 246 ff.
  4. Moers, Gerald: Die Reiseerzählung des Wenamun. In: Kaiser, Otto (Hrsg.): Weisheitstexte, Mythen und Epen. Gütersloh: Mohn, 1995, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments ; 3, Lfg. 5, ISBN 978-3-579-00082-4, S. 912–921.
  5. Bietak, Manfred: Der Fundort im Rahmen einer archäologisch-geographischen Untersuchung über das ägyptische Ostdelta. Wien: Verl. der Österreich. Akad. der Wiss., 1975, Tell el-Dabʿa ; 2, ISBN 978-3-7001-0136-9, S. 109, 215–217.
  6. Description de l’Égypte, Tafelband Antiquités V, Tafel 28.
  7. Lepsius, Richard, Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien, Tafeln Abth. I, Tafel 55 unten rechts, Abth. III, Tafeln 142.d, 255.d, 259.c, Texte, Band 1, S. 218 f.
  8. Mariette, Auguste: Fragments et documents relatifs aux fouilles de Sân (1860-1875). In: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l’archéologie égyptiennes et assyriennes (RecTrav), Bd. 9 (1887), S. 1–20.
  9. Siehe Literatur.
  10. Maspero, Gaston: Transport des gros monuments de Sân au Musée du Caire. In: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte (ASAE), ISSN 1687-1510, Bd. 5 (1904), S. 203–214.
  11. Yoyotte Jean ; Brisaud, Philippe: Mission française des fouilles de Tanis : Rapport sur les XXVe et XXVIe campagnes (1976–1977). In: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale (BIFAO), ISSN 0255-0962, Bd. 78 (1978), S. 103–140, zehn Tafeln.
  12. Brissaud, Philippe ; Zivie-Coche, Christiane: Tanis : Travaux récents sur le Tell Sân el-Hagar ; [1] : 1987–1997. Paris: Éd. Noêsis, 1998, ISBN 978-2-911606-05-2.Brissaud, Philippe ; Zivie-Coche, Christiane: Tanis : Travaux récents sur le Tell Sân el-Hagar ; 2 : 1997–2000. Paris: Éd. Noêsis, 2000, ISBN 978-2-911606-77-9.
  13. 13,0 13,1 Saleh, Mohamed ; Sourouzian, Hourig ; Liepe, Jürgen: Die Hauptwerke im Ägyptischen Museum Kairo : offizieller Katalog. Mainz: von Zabern, 1986, ISBN 978-3-8053-0640-9. Nr. 102: Mähnenspinx, Nr. 103: Büste und Nr. 104: Doppelstatue des Amenemhet III., Nr. 203: Statue des Hauron.
  14. Stadelmann, Rainer: Vierhundertjahrstele. In: Helck, Wolfgang ; Westendorf, Wolfhart (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie ; Bd. 6: Stele - Zypresse. Wiesbaden: Harrassowitz, 1985, ISBN 978-3-447-02663-5, Sp. 1039–1043.
  15. Pfeiffer, Stefan: Das Dekret von Kanopos (238 v. Chr.). München [u. a.]: Saur, 2004, Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete / Beiheft ; 18, ISBN 978-3-598-77593-2.
  16. Piankoff, Alexandre: Le Livre du jour et de la nuit : avec une chapitre sur l’écriture énigmatique. Kairo, 1942.
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